Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
Vom Netzwerk:
einen militärischen Plan. Sie unterteilen auf einer Landkarte die gesamte Region in Zonen mit
    speziellen Überwachungs- und Patrouilleaufgaben. Die Bauern halten über Funk miteinander Kontakt, um verdächtige Personen anzuzeigen, und bewegen sich nur noch mit Soldaten als Begleitschutz. Das Modell der Selbstverteidigung funktioniert, Salvatores Ansehen wächst weiter.
    Doch er verliert das Ziel all dieser Bemühungen nie aus dem Blick. Und er kann seine Sorgen keinen Moment abschütteln. Eines Abends erreicht ihn die schlechte Nachricht: Bei einem Einsatz zur Verteidigung einer unter Beschuss geratenen Gruppe von Contras wurde Fratinis Hubschrauber abgeschossen und der Major vom EPL entführt, dem Ejercito popular de liberacion, einer der vielen kolumbianischen Guerillagruppen. Am nächsten Tag findet man seine Leiche. Er war zu Tode gefoltert worden. Bilder, die man nicht mehr vergisst. Bilder, die Salvatore Mancuso auf seinem Weg nur weiter bestärken.
    Das blonde Mädchen ist jetzt auch auf Seifenverpackungen und auf Schulheften abgebildet, die in ganz Kolumbien verkauft werden. In ihrer Heimatstadt ist sie mehr als je zuvor zum vertrauten Anblick geworden, der Unbeschwertheit und Wohlbehagen schenkt. In den Augen der Weltöffentlichkeit hat Medellm die einzige Persönlichkeit verloren, für die die Stadt berühmt war: Pablo Escobar. Doch für Medellins Bewohner ist Natalia eine Garantie für das Schöne und Gute, und sie mildert die Angst, die das Ende des Herrn über Kolumbien ausgelöst hat. Denn in die Erleichterung über sein Verschwinden mischt sich Angst. Die Angst vor dem Vakuum, vor denen, die sich berufen fühlen, dieses Vakuum zu füllen. Pablo Escobar wurde im selben Jahr wie Major Fratini getötet, El Monos brüderlicher Freund. Jetzt, da der König tot ist, haben seine Widersacher
    freie Hand. Die Guerilleros drängen nach vorn, das Cali-Kartell expandiert. Die Muskeln spielen lässt auch die paramilitärische Organisation, die das rivalisierende Kartell finanziert hatte, um Pablo Escobar auszuschalten, und Angst und Schrecken vor allem in seinem ursprünglichen Herrschaftsgebiet verbreitet hatte: Los Pepes, kurz für Perseguidos por Pablo Escobar (»Verfolgte von Pablo Escobar«), eine sarkastische Antwort auf die Gruppe Muerte a Secuestradores (»Tod den Entführern«). Was werden jetzt jene Männer tun, die für das Massaker trainiert und ausgerüstet wurden? Werden sie abziehen? Werden sie einen Teil des Territoriums für sich beanspruchen? Sicher ist nur eins: Man braucht nicht zu hoffen, dass sie sich in Luft auflösen. Irreguläre Armeen verschwinden nicht von allein.
    Diese Sorge teilt auch die Regierung. Es gibt nicht mehr den einen großen Gegenspieler des Staates, sondern immer mehr Konfliktherde, und das ist schlimm. Schlimm für die Kolumbianer, aber auch für eine Führungsriege, die sich vom Ende des berühmtesten Antihelden einen Imagevorteil erhofft hat. Doch nun könnte es zu einem neuen Bürgerkrieg kommen, der noch viel blutiger ist als der alte. Die Staatspräsidenten, die nacheinander ihr Amt antreten, kennen die Grenzen ihrer Macht. Sie müssen versuchen, wenigstens ein Gleichgewicht der Kräfte zu schaffen, die sich ihrem Machtmonopol entziehen. Sie brauchen die Konterrevolutionäre, um der Guerilla entgegenzutreten, die immer erfolgreicher operiert, gleichzeitig müssen sie die paramilitärischen Gruppen in Schach halten. In dem von Salvatore Mancuso begründeten Modell, dem eine wachsende Zahl von hacienderos folgt, glauben sie endlich den richtigen Weg gefunden zu haben. Sie wollen die Legalisierung der Selbstverteidigungsgruppen vorantreiben, so dass auch die als bewaffneter Arm der Kartelle entstandenen brutalsten und
    am besten bewaffneten Organisationen Interesse entwickeln, sich ihnen anzuschließen. Ein 1994 erlassenes Dekret regelt die Tätigkeit der privaten Wach- und Sicherheitsdienste und deren Zusammenarbeit mit der Armee und erlaubt den Gruppen, die sich nunmehr Convivir nennen, Cooperativas de Vigilancia y Seguridad Privada, den Gebrauch von Waffen, die sonst nur dem Militär zur Verfügung stehen. Mancuso steht an der Spitze von Convivir Horizonte und hat deren Personalbestand durch zehn mit Pistolen, Gewehren und Maschinenpistolen bewaffnete Männer verstärkt.
    Jetzt, da er dazu berechtigt ist, möchte er seinen Mut und seine Tapferkeit unter Beweis stellen und den Tod des Freundes rächen, der ihm das Waffenhandwerk beigebracht hat. Mit einem

Weitere Kostenlose Bücher