ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

überzeugt, dass Julio der wunderbarste Mann ist, dem sie jemals begegnet ist. Im Boot schmiegt sie sich eng an ihn, sie küsst ihn und umschlingt ihn im Wasser. Die Liebe ist der Sieg des Lebens und sucht sich ihren Ausdruck.
    Zuerst denkt Lucia, dass die Ferien am Meer ihrer Tochter wirklich gutgetan haben. Bald jedoch ahnt sie, dass diese überbordende Glückseligkeit nicht nur von der karibischen Sonne kommen kann. Natalia hegt zärtliche Gefühle für jemanden, aber es muss eine besondere Verliebtheit sein, weil ihre Tochter nicht mit ihr darüber spricht. Ein ungutes Gefühl beschleicht sie, aber sie schiebt es beiseite. Natalia war schon immer impulsiv und schnell begeistert. Sie ist im Sternzeichen Löwe geboren, und dem Löwen wird Leidenschaftlichkeit zugeschrieben, ein Feuer, das irgendwann erlischt. Es ist besser, abzuwarten und ihr zu vertrauen.
    Tatsächlich öffnet Natalia sich ihr wenig später. Wenn sie davon schwärmt, wie gut Julio aussieht, wie sportlich,
    zuvorkommend und elegant er ist, strahlt sie derart, dass ihre Mutter erst einmal Luft holen muss, bevor sie ihr ein paar Fragen stellen kann. Es tut ihr leid, ihre Tochter von der Wolke herunterholen zu müssen, auf der sie schwebt.
    »Wie alt ist er?«
    »Ich weiß nicht. Dreißig, fünfunddreißig ...«
    »Bist du sicher, dass er nicht verheiratet ist?«
    »Mama, was redest du da! Er hat in Los Angeles gelebt, und er ist zurückgekommen, um seiner Familie unter die Arme zu greifen.«
    »Und was genau hat er in Los Angeles gemacht?«
    »Das habe ich ihn nicht gefragt.«
    »Dann hast du also keine Ahnung, womit dein Julio sein Geld verdient?«
    »Mit irgendwelchen Geschäften. Außerdem ist er reich, er stammt aus einer begüterten Familie. Er hat ein tolles Haus und auch andere Immobilien. Ein Hotel vielleicht, ein Landgut.«
    »Mag sein. Aber du weißt nicht, wie er oder seine Familie zu diesem Reichtum gekommen ist.«
    »Nein, Mama, und es interessiert mich auch nicht! Man kann nicht immer so vernünftig sein, so berechnend und rational.
    Das alles ist völlig bedeutungslos, wenn man jemanden liebt!«
    Jetzt weint sie und läuft in ihr Zimmer, wo sie sich einschließt. Lucia Gaviria bleibt bestürzt in der Küche sitzen. Sie hat ein ungutes Gefühl, sie ringt nach Luft und schenkt sich ein Glas Wasser ein. Allmählich beruhigt sie sich und widmet sich den häuslichen Arbeiten, die sie noch zu erledigen hat.
    Die einzige Frage, die sie am nächsten Tag zu stellen wagt, ist die nach dem Familiennamen des Auserkorenen. Sie bemüht sich, ganz arglos zu klingen, obgleich sie weiß, dass Natalia sie
    durchschaut. Mit der Information geht sie wie jeden Morgen zur Arbeit ins Gericht. Einem Albtraum entgegen.
    Julio Cesar Correa. Er ist Drogenhändler. Er hat das Handwerk von der Pike auf gelernt, als Auftragskiller von Pablo Escobar. Das alles lässt sich aus dem Namen lesen, den er anstelle seines ursprünglichen Namens angenommen hat: Fierro, Julio Fierro. In ganz Lateinamerika - und auch im Italienischen - bezeichnet fierro beziehungsweise ferro ein Schießeisen. In jüngerer Zeit ist er direkt ins Kokaingeschäft eingestiegen und ein traqueto geworden, ein Drogenhändler. Vielleicht war Don Pablos Tod der Grund dafür, dass er in die USA gegangen ist, um eine Zeitlang von der Bühne zu verschwinden, überlegt Dona Lucia. Doch nun ist er zurückgekehrt, gerade rechtzeitig, um Natalia den Kopf zu verdrehen. Ihre Tochter verschließt sich allen vernünftigen Argumenten. Sie hat zwar eingeräumt, dass Julio in der Stadt mit einer Pistole herumläuft, dann aber geschrien: »Was ist denn schon dabei, das tun doch alle!«
    Sie schreit ihre Mutter nur noch an.
    Sie muss jetzt zu einer bestimmten Uhrzeit zu Hause sein; als Minderjährige hatte ihr die Mutter nicht so strenge Regeln auferlegt. Aber wenn Dona Lucia auf ihre Tochter wartet, kommt sie ins Grübeln und macht sich Vorwürfe. Warum hat sie bloß geglaubt, die Haie im Meer seien weniger gefährlich als die Haie an Land! Warum hat sie ihr bloß die Teilnahme an diesem verdammten Tauchkurs erlaubt!
    Die Jahre vergehen. Natalias Mutter ist zermürbt von dem vergeblichen Kampf, den sie führt. Immer öfter bekommt sie Weinkrämpfe, die nur zu einem geringen Teil ein Mittel sind, um ihre Tochter emotional zu erpressen. Julio hat sich bemüht, sie zu beruhigen und ihr zu versichern, wie sehr er Natalia liebt, und hat geschworen, ihr und ihrer Familie immer den größten Respekt entgegenzubringen. Er