ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
hat Natalias Mutter einen neuen Lebensgefährten und ein zweites Kind: eine ganz normale Familie. Und sie ist stolz darauf in einer Zeit und in einem Land, in dem der enthemmte Wahnsinn herrscht.
Kolumbien ist ein Land mit tausend Facetten. Das Weiß der gekalkten Häusermauern blendet in der gleißenden Sonne, und von einer zur nächsten Sekunde ist man überwältigt von den Farben eines Sonnenuntergangs, der die Landschaft in ein Flammenmeer verwandelt. Kolumbien haut einen um. Und Monteria schöpft seine Vitalität aus seinen Widersprüchen. Die Stadt am Fluss Sinu ist die Hauptstadt des Departements Cordoba. Ärmliche Hütten und Wolkenkratzer brechen sich zwischen den tropischen Bäumen Bahn. Hier wohnen Menschen vieler verschiedener Nationalitäten, deren Zusammenleben sich oft als unmöglich erweist.
Hier wächst Salvatore Mancuso auf, in einem Haus, das sein Vater mit eigenen Händen erbaut hat. Dieser nimmt seine Söhne von klein auf mit zur Jagd, und sie sind fasziniert von seinem geheimen Schatz: einem kleinen Waffenarsenal, auf das sie jedoch keinen Zugriff haben. Don Salvador, wie er aufgrund eines Fehlers der Einwanderungsbehörde offiziell heißt, lässt seinen Kindern eine strenge Erziehung angedeihen. Den relativ großen Wohlstand und sozialen Frieden verteidigt er durch erzieherische Regeln, die nie in Frage gestellt werden.
Und die väterliche Strenge wird belohnt. Salvatores Leichtsinn beschränkt sich auf Episoden in der Kindheit, als er zum Anführer seines Viertels wird und von den anderen Kindern wegen seiner starken Körperbehaarung schon in der frühen Pubertät mit neidvoller Bewunderung »El Mono«, der Affe, genannt wird. In den achtziger Jahren gewinnt er auf Motocross-Rennen die nationale Meisterschaft und macht damit auch die Brüder Bianchi, italienischer Herkunft wie er, zu Siegern: Denn sie sind es, die in Monteria die Motorräder der Marke Yamaha verkaufen.
Wie Natalias Mutter weiß auch Don Salvador, dass man einem Kind die Genugtuung solch vergänglichen Ruhms zugestehen muss, solange die Karriereplanung nicht darunter leidet. Salvatore ist ein guter Sohn. Nach dem Abitur geht er zum Studium in die USA. Doch wenn er an der Universität Pittsburgh keinen Abschluss macht, dann nicht, weil er zu wenig Ehrgeiz zeigt, sondern weil er sich nach Hause zurücksehnt.
Vor allem nach Martha, die er mit achtzehn geheiratet hat, und nach seinem nur wenige Monate alten Söhnchen Gianluigi.
Don Salvador drängt ihn zu bleiben. Er sähe es zu gern, dass sich sein Sohn in den Vereinigten Staaten zielstrebig eine Existenz aufbaut. Doch den Argumenten des jungen Familienvaters hat er nichts entgegenzusetzen. Salvatore kehrt nach Kolumbien zurück und zieht mit Martha nach Bogota, um dort sein Studium abzuschließen.
Und auch hier macht er seinem Vater einen Strich durch die Rechnung. Salvatore will nicht Ingenieur, sondern Landwirt und Viehzüchter werden, ein echter, urwüchsiger Kolumbianer. Offensichtlich will er damit auch dem Vater zu seinem Recht verhelfen, der sich nach dreißig entbehrungsreichen Jahren ein Landgut gekauft hatte. Allen Erpressungsversuchen der Guer-illeros hatte er widerstanden, doch schließlich musste er sich geschlagen geben und seine geliebte Finca verkaufen. Was entgegnet man einem Sohn, der sich in den Kopf gesetzt hat, zu Ende zu führen, woran man selbst gescheitert ist? Sagt man ihm, dass es zu gefährlich ist, zu schwierig? Die Mancusos sind selbstbewusste Leute. Salvatore kehrt mit einem agrarwissenschaftlichen Diplom in der Tasche nach Monteria zurück und lässt sich auf dem Gutshof Campamento nieder, den Martha soeben von ihrem Vater geerbt hat. Das Land ist fruchtbar, das Anwesen ein Schmuckstück, auch wenn es erst noch
auf Vordermann zu bringen ist. Don Salvador bürgt für den Kredit, den sein Sohn aufnimmt, um seinen Betrieb auch finanziell in einen Traum zu verwandeln. El Mono muss in aller Frühe aufstehen und mindestens so viel schuften wie die Campesinos. Die Philosophie des Vaters in die Tat umzusetzen ist harte Arbeit. Nach zwei Jahren erntet die mustergültige hacienda Campamento nicht nur bei den anderen Bauern Anerkennung. Auch die Aufmerksamkeit der Guerilleros ist geweckt - und ihre Begehrlichkeit.
Anfang der neunziger Jahre ist der Staat, in dem Salvatore sich allmählich einen Namen macht, ein degenerierter Wilder Westen. Im Departement Cordoba hat man längst aufgehört, die Übergriffe der Guerilla zu zählen. Erpressung,
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