Zerrissen - Thriller
weg .“
„Warum tat er das?“
„Weil ich getrunken hatte und das hasste er.“
Isabella wurde nun so einiges klar. Valerie hatte ein Alkoholproblem und Vincent wollte die Kinder vor ihr schützen.
„Ich trank zu viel und er wollte die Kinder zu seiner Mutter bringen , damit wir uns alleine aussprechen konnten. Aussprechen , ja , so nannte er es, dabei wollte er m ich in die Klapse bringen .“
Tränen rannen ihr über die W angen und ihr Gesicht wirkte plötzlich alt und verbraucht.
„Er kam aber nicht mehr zurück und die Kinder auch nicht.“
„Und danach trennten Sie sich?“
„Ja, er wollte mich nicht mehr. Das kann ich auch verstehen.“
Isabella nickte und fühlte mit der Frau, deren Leben nur noch aus Scherben bestand. Sie konnte sich gut in Valerie hineinversetz en, hatte sie doch selbst ein Alkoholproblem.
„Warum dachten Sie, Vincent sei tot?“
„Er ging weg und kam nie wieder. Ich dachte, er wäre ausgewandert oder tot.“
Sie saßen noch eine Weile zusammen. Valerie erzählte von ihren Kindern und zeigte ihnen Fotos. Isabelle war erschüttert, welche Ähnlichkeit der mittleere Sohn mit Niklas hatte. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Das schien auch Dirk aufgefallen zu sein, den n er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Nach zwei Stunden verabschiedeten sie sich voneinander.
*
Als die drei am nächsten Morgen erwachten, standen Brötchen und Milch im Zimmer. Sie schienen nicht bemerk t zu haben, als es gebracht wurde, umso mehr strahlten nun ihre Gesi chter. Endlich wieder etwas zu essen! Auch Porthos war wieder der Alte und nach dem Frühstück spielen sie ihr Lieblingsspiel „Die drei Musketiere“. Sie hatten sich vor ein paar Jahren Schwerter gewünscht und Porthos hatte die Idee , sich eine eigene Welt zu schaffen. Eine Welt, in der sie die Helden waren und alle Menschen beschü tzten. Die drei Musketiere waren stark, denn s ie waren zu dritt, hatten Schwerter und gehörten zu den Guten. Niklas wurde zu Athos, Justin zu Porthos und Ben zu Aramis. Waren sie allein , sprachen sie sich nur mit ihren Heldennamen an. Das war ihr Geheimnis, das , was sie am Leben hielt.
In den ersten Wochen war Niklas allein eingesperrt gewesen. Alleine in einem dunklen Kellerloch. Oft dachte er an diese qualvolle Zeit zurück, in der er langsam seine Kindheit hinter sich ließ und erwachsen wurde. Im Keller war es feucht und er hatte fürchterli che Angst. Angst um sein Leben! Er dachte jeden Tag an seine Mutter. An das Lächeln, das sie ihm immer schenkte, an ihren Duft, an ihre Berührungen. Er vermisste sie so sehr. Auch seinen Bruder, der ihn immer aufzog, weil er so schüchtern war. Wie gerne würde er nun mit ihm streiten können! Niklas Augen füllten sich mit Tränen. Er liebte seinen Bruder abgöttisch. Sein Bruder war sein großes Vorbild, sein Fels in der Brandung. Als er in dem Kellerloch lag, stellte er sich vor, dass er kommen, und ihn retten würde. Doch er kam nicht. Niemand kam, auch nicht sein Vater, der doch so stark war. Es kam immer jemand mit einer Maske und brachte ihm Essen und Trinken. Er wagte es nicht, diese Person anzusprechen. Zu groß war seine Angst. Er flehte nicht um Hilfe, sondern verkroch sich in das hinterste Eck. Viele schlimme Dinge hatte er im Fernsehen gesehen. Männer, die kleinen Mädchen und Jungen schlimme Dinge ant aten. Er war immer heilfroh, wenn diese Person den Keller wieder verließ. Obwohl er dann wieder einsam und alleine war. Er wusste nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war. Obwohl sich Niklas noch an seine Entführung erinnern konnte, war er sich sicher, dass die Person, die ihm immer Essen brachte , eine andere war. Es war nicht der Mann, der sich mit Mami immer heimlich getroffen hatte. Dieser hatte ihn zwar entführt, doch seitdem hatte er ihn nie wieder gesehen – den Mann mit dem Taschenmesser. Nach einigen Wochen wurde er dann aus seinem Verlies herausgeholt und zu Justin gebracht. Wieder war er nicht bei Bewusstsein. Er wusste also nicht, wo er hingebracht wurde. Er war damals so froh darüber gewesen , Justin zu sehen. Endlich war er nicht mehr allein . Einige Monate später kam dann Ben zu ihnen, seitdem waren sie zu dritt. Dann kam niemand mehr .
*
Er blieb nun immer länger bei mir, brachte mir Geschenke mit und erzählte stundenlang von unserer schönen gemeinsamen Zeit. Ich hörte zu und gab ihm das Gefühl von Vertrautheit. Es kostete mich Kraft, unglaubliche Überwindung, doch ich war stark
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