Zerrissenes Herz (German Edition)
Geschehnisse in Kolumbien für keine Schlagzeilen. Die rebellische FARC und andere paramilitärische Vereinigungen, die gegen die Regierung kämpften, waren immer weiter aus den Medien verschwunden. Neuigkeiten aus dem Mittleren Osten und sogar aus Mexiko verdrängten Kolumbien immer öfter aus den Nachrichtenspalten der Zeitungen. Doch nach wie vor stammten achtzig Prozent des auf der Welt gehandelten Kokains aus jenem von Gebirgen durchzogenen Land. Was die Presse gern unerwähnt ließ, war, dass im Zuge der Schwächung der Paramilitärs immer mehr kriminelle Organisationen gewachsen waren, die die entstandene Lücke nun wie eine opportunistische Virusinfektion füllten. Der Drogenhandel florierte immer stärker. In letzter Zeit war noch eine finsterere Entwicklung hinzugekommen – es entstanden immer mehr enge Verbindungen zwischen den Drogenkartellen und terroristischen Vereinigungen. Das zusammen mit der Schließung eines Stützpunktes in Ecuador hatte die USA zum Handeln motiviert. Die Idee hinter der gemeinsamen Aktion war, die Aktivitäten der Drogen- und Waffenhändler zu unterbinden und die dahinterstehenden Organisationen zu zerschlagen.
„Das Einzige, was ich über Kolumbien weiß, ist, dass dort Kaffee wächst“, gab Julians Mutter zu. „Und dann natürlich die Geschichten über die Furcht einflößenden Drogenbarone.“
Julian sagte nichts weiter. Er durfte nicht; es war alles streng geheim. Aber die Furcht einflößenden Drogenbarone waren der Grund, warum er nach Südamerika geschickt wurde.
6. KAPITEL
I n einem Hotel zu übernachten war für Daisy etwas Besonderes. Wenn sie einen Auftrag bei einer Hochzeit hatte, durfte sie manchmal am Veranstaltungsort bleiben, aber das war Arbeit. Unglücklicherweise konnte ihr kein Luxus der Welt einen ruhigen Schlaf bescheren, wenn sie arbeitete.
Und genauso wenig, wenn sie Sorgen hatte. In dieser Nacht machte sie sich große Sorgen. Sie ging im Zimmer auf und ab. Starrte aus dem Fenster und beobachtete den Mond, der sich in kaum wahrnehmbarer Geschwindigkeit über den Himmel schob. Ging noch mehr auf und ab.
Kolumbien . Das war eine halbe Weltreise entfernt; Daisy hatte extra bei Google Maps nachgeschaut. Sie und Julian waren nicht zusammengekommen, als sie noch im selben Staat gewohnt hatten. Welche Hoffnung gab es für sie nun noch, wenn er auf einen anderen Kontinent zog?
Julian würde neu anfangen, als Offizier und Gentleman. Ein Streber, ein Patriot. Ein Mann mit einer Pflicht gegenüber seinem Land, der kurz davor stand, das Abenteuer seines Lebens anzutreten. Aber alles, woran sie denken konnte, war, dass seine Pflicht ihn weit von ihr weg in eine unbekannte und gefährliche Welt führen würde.
Freu dich für ihn, sagte sie sich. Alles ist genau so, wie es sein soll.
Hatte sie sich die ganze Zeit über etwas vorgemacht, als sie gedacht hatte, sie beide hätten eine Chance? Mehr als je zuvor brauchte sie jetzt das schwierige, aber offene Gespräch mit ihm über sie beide. Ihre Beziehung bestand aus einer Reihe von Treffen, die von einer brennenden Chemie erfüllt gewesen waren, die bisher jedoch nur zu Verlangen und Frust geführt hatte. Wann immer Daisy an ihn dachte, verspürte sie eine so schmerzhafte Sehnsucht. Doch all die Gefühle füreinander addierten sich nicht zu einer wie auch immer gearteten gemeinsamen Zukunftfür sie beide. Sie hatten sich ja noch nicht einmal ihre Liebe gestanden. Sie hatten bisher weder die Zeit noch den Platz gehabt, um etwas wachsen und gedeihen zu lassen, das sie fester aneinander binden würde.
Sie waren auf der Stufe des Zaubers stecken geblieben – sie idealisierten einander, ohne zu wissen, ob sie wirklich füreinander bestimmt waren. Vielleicht hatten sie Gewohnheiten, die den anderen irgendwann nerven würden. Vielleicht harmonierten sie sexuell nicht miteinander; Daisy würde es niemals erfahren, denn sie hatten nie miteinander geschlafen. Vielleicht schlugen sie unterschiedliche Richtungen ein und waren dazu verdammt, auf verschiedenen Wegen zu bleiben.
Aber tief in ihrem Herzen wünschte sie sich, dass dem nicht so wäre. Sie liebte ihn so sehr, dass sie sich gar nicht mehr vorstellen konnte, anders zu fühlen. Aufhören, ihn zu lieben, wäre wie aufhören zu atmen.
Trotzdem, alle Liebe der Welt konnte nichts an der Tatsache ändern, dass sie an ihr Zuhause gebunden war, an Charlie und seinen Dad, während Julian sich ins Abenteuer stürzen würde. Das Vernünftigste wäre, sich mit der
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