Zerrissenes Herz (German Edition)
als sie auf der einen Seite neben Julian stand, während sein Onkel auf der anderen stand.
Julian erhielt noch eine Belobigung für ausgezeichnete körperliche Leistungen und technisches Wissen. Letzteres hätte ihn beinahe vor allen Leuten zusammenbrechen lassen.
Sein Vater war Raketenwissenschaftler gewesen. Es war ein Running Gag in der Familie, dass Louis Gastineaux’ Leidenschaft für seine Arbeit die fürs Leben weit übertroffen hatte. Er hatte ein ungewöhnliches Leben geführt, aber Julian hatte sich immer sicher und geborgen gefühlt. Sicher, er hatte sich nach einer Mutter gesehnt, aber sein Vater hatte ihre Abwesenheit ohne ein Anzeichen von Bitterkeit oder Schuldzuweisung erklärt. „Sie ist dazu berufen“, hatte Louis seinem kleinen Sohn erklärt, wenn er nach ihr gefragt hatte. „Es ist genau wie bei mir und der Physik.“
„Aber du bist bei mir“, hatte Julian eingewandt.
„Wie könnte ich auch nicht bei dir sein?“, hatte sein Vater sanft entgegnet. „Sag mir das, mein Süßer. Wie könnte ich nicht bei dir sein?“ Das war vor der Tragödie gewesen, vor dem Unfall, der Julians Vater querschnittsgelähmt zurückgelassen hatte und schließlich für seinen Tod verantwortlich gewesen war.
Auf der Bühne erhielt Julian die Belobigungsurkunde. Danke, Dad, dachte er. Ich liebe dich.
Er wusste nicht, was für ein Leben sein Vater sich für ihn erträumt hatte. Aber heute hoffte er, dass er diesen Traum in etwa verwirklicht hatte.
Nach der Zeremonie gab es ein Essen im Restaurant der Hotelschule der Cornell. Julian sehnte sich immer noch nach etwas Zeit mit Daisy allein, doch es sollte wohl nicht sein. Die Anwesenheit seiner Familie war sowohl Segen als auch Fluch. Ein Segen, weil er sich freute, sie alle unverhofft bei sich zu haben. Ein Fluch, weil er dadurch mit allen ein wenig Zeit verbringen wollte. Aber er tröstete sich damit, dass er nun schon so lange auf den Moment mit Daisy gewartet hatte. Ein paar Stunden mehr würden jetzt auch keinen Unterschied mehr machen.
Alle wollten so viel wie möglich über seinen Einsatz wissen. Wohin wurde er entsandt? Was würde er dort tun? Wie viele waren in seinem Kommando? Die Fragen summten um ihn herum, genau wie in den letzten Tagen. Die Leute aus seiner Abteilung tauschten schon seit Wochen Neuigkeiten und Gerüchte untereinander aus. Viele würden als Pilot oder Navigator beginnen, aber für Julian hatten die Oberkommandierenden andere Pläne.
Aufgrund der Natur seines Einsatzes konnte er nicht viel darüber sagen. „Es ist ein aktiver Einsatz“, erwiderte er ausweichend. „Ein internationales Gemeinschaftsunternehmen. Ich werde taktisches und operatives Training machen.“
„Was heißt das?“, wollte Remy wissen.
„Ich werde einfach … meine Pflicht tun.“
„Pflicht. Darin bist du gut, Jules“, sagte Remy.
„Wo wirst du stationiert?“, fragte Connor.
Julian machte eine kleine Pause. Sein Blick glitt zu Daisy, die neben ihm saß. Er spürte, wie sie den Atem anhielt. Er war nur autorisiert, sehr wenig zu verraten.
„Kolumbien“, sagte er. „Dort gibt es einen erst kürzlich aufgerüsteten Stützpunkt namens Palanquero.“
Sein Onkel stieß einen leisen Pfiff aus. „Mannomann. Kolumbien.“
Julian spürte Daisys Enttäuschung beinahe körperlich, doch sie lächelte unverändert weiter. „Das ist ja aufregend, Julian“, sagte sie. „Dann kannst du endlich deine Spanischkenntnisse anwenden.“
Er konnte es ihr nicht sagen, aber er war speziell für Aufträge wie diesen ausgebildet worden. Sein Training hatte aus vielen Elementen bestanden, inklusive einer Ausbildung an der Inter-American Air Forces Academy in Texas; außerdem hatte er sich umfangreichen Sicherheitschecks unterziehen müssen, um zu beweisen, dass er für verdeckte Ermittlungen geeignet war.
Colonel Sanchez, den Kopf der Operation, hatte er das erste Mal während einer Feldübung im Sommer vor zwei Jahren kennengelernt. Er hatte es damals noch nicht gewusst. Aber Sanchezhatte die Jahrgänge nach Neuzugängen für sein Team durchkämmt. Julian hatte auf das Profil gepasst. Er erfüllte die körperlichen Voraussetzungen, hatte die Sprachkenntnisse sowie die technischen und taktischen Fähigkeiten, die nötig waren. Anfangs war ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er für hochriskante Einsätze geprüft wurde. Erst später hatte er erfahren, dass sein Ruf als Adrenalinjunkie ihn schon recht früh zum Favoriten gemacht hatte.
Aktuell sorgten die
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