Zerrissenes Herz (German Edition)
richtig glauben, dass du Offiziersehefrau wirst.“
„Und ich kann nicht glauben, dass ich überhaupt jemandes Frau werde“, erwiderte Daisy. „Ich vermisse ihn schon so sehr, Sonnet. Vielleicht kann mir auf diesem Treffen jemand verraten,wie ich mit dieser Sehnsucht umgehe.“
„Wieso solltest du die Liebe deines Lebens auch nicht vermissen?“
„Julian und ich haben Übung darin, voneinander getrennt zu sein. Ich dachte, ich wäre darauf vorbereitet, ihn auch jetzt nicht bei mir zu haben. Aber irgendwie ist es anders. Da wir jetzt verlobt sind, hat alles … Ich weiß nicht, eine ganz andere, größere Bedeutung.“ Sie schaute sich in dem Haus um, das sie zu ihrem Zuhause gemacht hatte. Irgendwann in diesem Jahr würde sie mit Julian zusammen ein Zuhause einrichten. Sie wusste nicht, wo, kannte seine Vorlieben und Abneigungen nicht. Es gab noch so viel zu entdecken – wann würden sie je die Zeit dafür haben?
„Sonnet, unterschreibe ich gerade, dass ich einen ständig abwesenden Ehemann haben werde?“
„Das ist nur vorübergehend. Er hat sich für vier Jahre verpflichtet, oder? Genauso lange braucht man für ein Medizinstudium.“
„Da steckt zwar ein gewaltiger Fehler in deiner Logik, aber ich verstehe, was du sagen willst.“ Sie schaute sich noch ein letztes Mal im Spiegel an. „Das ist das Verrückte daran, das Magische. Ich habe es geschafft, mich zu verlieben und verliebt zu bleiben, obwohl wir nie in der gleichen Stadt gelebt haben. Er kennt mich wie niemand sonst. Und trotzdem … sind einige Sachen noch … geheimnisvoll. Im positiven Sinn“, fügte sie schnell hinzu.
Sonnet scheuchte sie zur Tür hinaus. „Charlie und ich werden uns einen schönen Nachmittag machen“, sagte sie. „Denk ja nicht daran, vor dem Abendessen nach Hause zu kommen!“
Bei den Leuten auf dem Treffen handelte es sich hauptsächlich um junge Frauen verschiedenster Herkunft. Das Einzige, was sie alle gemeinsam hatten, war, dass sie kürzlich einen Offizier geheiratet hatten oder in Kürze heiraten würden. Viele der Teilnehmer stammten aus Familien mit militärischem Hintergrund und sprachen in einer Art Code; es wurde nur so mit Akronymen um sich geschmissen – würde sie im OWC oder EWC sein?Wann könnte sie die CACO an ihrer ADU erwarten? –, dass Daisy ganz schwindelig wurde. Sie zwang sich, aufmerksam zuzuhören und sich Notizen zu machen.
Während der Frage-und-Antwortrunde reichten die Themen von der Frage, wie die Wohnraumverteilung auf dem Stützpunkt funktionierte, bis zur Frage, wie man eine eigene Karriere aufbaute, während man dem Ehemann über den ganzen Globus folgte.
In dieser Hinsicht hatte Daisy Glück. Ihre Kamera funktionierte überall auf der Welt. Nach der Hochzeit würde sie als freiberufliche Fotografin arbeiten. Nach der relativ stabilen Auftragslage bei Wendela’s Wedding Wonders war die Aussicht, ganz auf sich gestellt zu sein, für sie allerdings auch eine kleine Herausforderung. Unwillkürlich dachte Daisy an das leere Posteingangsfach zu Hause, das wie eine stumme Anklage auf ihrem Schreibtisch stand. Sie musste sich wirklich endlich um ihre Teilnahme beim Wettbewerb des MoMA kümmern. Die Chance, einen Platz in der Ausstellung zu bekommen, war zwar gering, aber wenn man was erreichen wollte, musste man auch mal ein Risiko eingehen.
Ihre Gedanken schweiften zu idyllischen Orten, als einer der Angehörigen – ein Mann – die Hand hob.
„Rudy McBean“, sagte er. „Meine Frau ist Second Lieutenant in der Army und letzte Woche nach Afghanistan entsendet worden.“ Er schaute sich in dem nun totenstillen Raum um. „Tut mir leid, dass ich das Thema aufbringe“, entschuldigte er sich. „Ich weiß, dass es leichter ist, über den Unterschied zwischen der Lebensmittelausgabe und den Stützpunktsupermärkten zu sprechen. Oder darüber, woher man Auskünfte über Banken und Krankenkassen und so weiter bekommt. Das sind auch alles wichtige Themen, versteht mich nicht falsch.“
Zustimmendes Gemurmel erhob sich.
Er starrte auf den Boden und legte die Fingerspitzen aneinander. „Was ich aber wissen muss und was mir bisher niemand erklärt hat, ist, was man mit den Sorgen macht. Jedes Mal, wennich den Fernseher einschalte oder ins Internet gehe, werde ich mit schlimmen Nachrichten über den Krieg bombardiert. Wie überstehe ich den Tag in dem Wissen, dass sich meine Frau da mittendrin befindet?“
Nach seiner gequälten Frage senkte sich die Stille wie ein Sargtuch über
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