Zerrissenes Herz (German Edition)
.“
„Rosalindas Familie wollte für sie das Gleiche. Einen reichen Jungen, jemanden mit Zukunftsaussichten.“
„Du hast doch Aussichten“, sagte Julian.
„Ich habe eine wunderschöne Frau und ein Haus in Puerto Salgar. Alles, was ich immer wollte, war, eine Flussfischerei zu führen, eine schöne Beschäftigung unter freiem Himmel. Etwas, das es mir erlauben würde, jeden Abend zu meiner Familie heimzukehren. Ich dachte, in der Air Force zu dienen würde meine Träume schneller wahr machen, eh? Aber Rosalinda verliert langsam die Geduld. Sie hat keine Ahnung, was ich mache, aber sie weiß, dass es riskant ist.“
Julian schluckte den Kloß hinunter, der ihm vor Schuldgefühlen in der Kehle steckte. Es gab die offizielle Geschichte – und es gab die Wahrheit. Die Wahrheit war: Das Team war so geheim, dass er nicht sicher war, ob irgendjemand außerhalb der obersten Befehlsriege der Kolumbianer den wahren Zweck des Einsatzes kannte. Er war sich nicht mal sicher, ob er den wahren Zweck kannte.
„Sieh mal“, sagte er. „Du tust das für dein Land und deine Familie. Wenn sich dafür das Risiko nicht lohnt, weiß ich auch nicht. Vielleicht bekommst du hiernach sogar eine Belobigung.“
„Nicht, wenn ich entlassen werde.“
„Hierfür?“ Julian zeigte auf den Arm und hoffte, dass die Blutung inzwischen aufgehört hatte. „Eine Schramme. Das heilt wieder.“
„Aber das hier vielleicht nicht.“ Mit seiner gesunden Hand zeigte Ramos auf die Stelle an seinem Bein, wo seine Hose in den Stiefel gesteckt war. Irgendwas stimmte mit dem Winkel nicht. „Mist.“ Julian drehte sich bei dem Anblick des Knochens,der gegen den Stoff drückte, der Magen um. „Warum hast du nichts gesagt?“
„Weil man nichts tun kann.“ Ramos schaute ihn entschuldigend an. „Du bist nicht dafür ausgerüstet, einen komplizierten Bruch zu richten. Ich kann mich nicht bewegen und kann auch nicht bewegt werden.“
„Was zum Teufel machen wir dann?“, wollte Julian wissen.
„Ich habe meine Möglichkeiten durchdacht.“
Julian gefiel nicht, in welchem Ton Ramos das sagte. Er funkte die Basis an, und ein Arzt erklärte ihm, was er zu tun hatte.
„Gib ihm eine ganze Menge Morphium.“ Die Nachricht huschte über das kleine Display.
„Ja, klar, als wenn ich das hätte“, murmelte Julian auf Englisch. Er schaute Ramos an. „Ich werde das Bein stilllegen.“
„Sei kein Idiot. Ich werde schreien wie ein Kojote, und dann erschießen sie uns beide.“
„Du wirst keinen Laut von dir geben.“ Julian nahm ein langes Gurtband aus seinem Rucksack und reichte es ihm. „Denk an Rosalinda. Denk an deine beiden Kinder. Du hast tausend Mal gesagt, dass du alles für sie tun würdest. Alles.“
Mit zitternder Hand griff Ramos den Gurt und klemmte ihn sich zwischen die Zähne. Julian hatte kein Desinfektionsmittel dabei, also leerte er die Wasserflasche über der Wunde. Ramos gab einen zischenden Laut von sich, hielt aber still.
„Ich mache ganz schnell“, sagte Julian. „Aguanta.“ Als er die selbst gemachte Schiene aus Holz anbrachte, atmete Ramos schwer, Tränen strömten ihm über die Wangen. Julian zwang sich, weiterzumachen, und wickelte das Kletterseil um Bein und Schiene. Seine Freundin Sayers wäre mit seinem Verband sehr zufrieden gewesen. „Vielleicht wirst du ohnmächtig“, erklärte er Ramos. „Und vielleicht wäre das gar nicht so schlecht.“
Ramos wurde jedoch nicht ohnmächtig. Er gab keinen Ton von sich. Julian kam es wie eine Ewigkeit vor, doch endlich hatte er die grobe Schiene sicher am Bein befestigt.
„Ich kann nicht gehen“, sagte Ramos.
„Ich trage dich.“
„Sei kein Idiot.“
„Du würdest das Gleiche für mich tun.“
„Dann sind wir beide Idioten. Das ist auch der Grund, warum wir für diese Mission ausgewählt wurden, eh?“ Mit der gesunden Hand wischte Ramos sich über die Stirn. „Jetzt können wir nichts mehr tun, außer auf die Dunkelheit zu warten. Ich werde mich ein wenig ausruhen und verspreche dir, nicht zu sterben.“
Julian nickte. Einzuschlafen war für einen Mann in Ramos’ Verfassung vermutlich nicht das Beste, aber es war eine Möglichkeit, dem Schmerz zu entfliehen. Julian war oft in sich gekehrt, wenn er mit belastenden Situationen umgehen musste. So oft war Geduld das, was bei einem Einsatz am meisten gebraucht wurde. Mentale Techniken für Situationen wie diese waren sogar Teil ihrer Ausbildung gewesen. Und wie immer schweiften Julians Gedanken zu Daisy. Eines
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