Zerrissenes Herz (German Edition)
kann nicht“, hatte er gesagt.
„Versuchen Sie es noch einmal.“
Seine Beine waren nutzlos. Nicht einmal taub. Einfach … nicht da. „Ich kann nicht.“
Der Arzt nahm eine Spritze mit einer langen Nadel zur Hand. Dann noch eine. Er zog sie mit einer geheimnisvollen Flüssigkeit auf. Dann stach er die eine Nadel in den einen großen Zeh und die andere Nadel in den anderen. Dann in die empfindlichste Stelle am Knöchel. Julian fühlte nichts. Er biss entschlossen die Zähne zusammen, doch sein Gehirn stieß stumme Schreie der Verweigerung aus. Er wollte nicht gelähmt sein. Er erinnerte sich nur zu gut an die Qualen seines verstorbenen Vaters, der von einer Sekunde auf die andere querschnittsgelähmt gewesen war. Das war wie eine Art Tod.
Irgendwie hatte er es geschafft, sich von der Situation zu lösen, in Gedanken an einen anderen Ort zu reisen. An den Willow Lake, dessen Oberfläche klar und ruhig wie ein Spiegel in der Sonne lag. So ruhig wie Julian, der sich dem Schock entziehen musste, den er erlitten hatte, als er als gelähmter Gefangener aufgewacht war. Er war das Wasser des Sees, unbewegt, ungerührt von nicht mal der kleinsten Brise.
„Nun?“, fragte der Deputy.
„Keine Funktionen oder Gefühle in den unteren Extremitäten.“
„Ich werde eine entsprechende Notiz für die Vernehmungsoffiziere vorbereiten.“
Diese Aussage hatte Julian das Blut in den Adern gefrieren lassen. In diesem Moment hatte er verstanden, dass er gefoltert werden würde.
Der Arzt hatte sich unbehaglich geräuspert. „Das übliche Vorgehen wäre natürlich eine physikalische Therapie, um so viel Funktionalität wiederherzustellen wie möglich.“
„Dieser Service steht Gefangenen nicht zu. Vielleicht ist er doch nicht so ein Glückspilz, wie ich dachte. Don Benito wird entscheiden, ob er am Leben gelassen wird oder nicht.“
Daraufhin hatte der Arzt nichts mehr gesagt. Eine Woche später war Julian grob in einen Rollstuhl gesetzt worden, man hatteihm eine Augenbinde umgebunden und ihn dann woanders hingebracht. In den folgenden Monaten war er immer wieder verlagert und auf Arten behandelt worden, die er sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht hätte ausmalen können.
Vor langer Zeit schon hatte er alle Hoffnung auf eine Rettung oder Entlassung aufgegeben. Sie hielten seine Existenz geheim, aus Angst vor den Repressalien der US-Army oder anderer Militärs. Er war sich nicht sicher, warum er noch am Leben war, welchen Sinn das hatte. Sie brachten ihn langsam um, durch Gleichgültigkeit und Vernachlässigung, nur ab und zu unterbrochen von Foltersitzungen, die ihn vollkommen atemlos zurückließen.
Julian schloss erneut die Augen und betete, dass Albträume und Erinnerungen dem Einzigen Platz machen würden, was ihn am Leben hielt – ein Traum von Daisy und von zu Hause.
20. KAPITEL
N ur einmal in die Fluch der Karibik -Bahn“, bettelte Charlie mit strahlendem Gesicht. „Bitte!“ Das bunte Chaos, das sich Disneyland nannte, wirbelte um Daisys kleinen Sohn herum. Sie wechselte einen Blick mit Logan und wusste, dass sie der gleichen Meinung waren. Einen Ausflug nach Disneyland unternahm man nicht jeden Tag, und sie waren entschlossen, das Beste daraus zu machen.
„Ich sag dir was“, schlug sie vor. „Ihr zwei geht zusammen rein, und ich mache Fotos.“
„Cool“, sagte Charlie. „Komm, Daddy!“
Das war nicht die Art Fotos, die sie normalerweise machte, aber die wilde Atmosphäre mit den bunten Farben und Lichtern und rasanten Bewegungen inspirierte Daisy. Sie fing Vater und Sohn ein, wie sie lauthals lachten, die Köpfe in den Nacken geworfen, beide völlig übermannt von Überraschung und Freude.
„Gute Idee“, murmelte Daisy leise vor sich hin. „Das ist die perfekte Art, Charlies fünften Geburtstag zu feiern.“
Logan hatte noch nie halbe Sachen gemacht. Als Daisy zugestimmt hatte, Charlie von ihrem Plan zusammenzuziehen zu erzählen, hatte Logan vorgeschlagen, es ihm direkt nach seinem Geburtstag zu verkünden. Sie wollten es ihm nicht an seinem Geburtstag sagen, weil das vielleicht die falsche Botschaft gewesen wäre.
Auf seine übliche hoch motivierte Art hatte Logan ein dreitägiges Abenteuer organisiert. Er hatte darauf bestanden, dass es nach Disneyland ging, nicht nach Disney World, weil nichts so gut war wie das Original. Während sie fort waren, würde das örtliche Umzugsunternehmen Daisys Habseligkeiten in Logans Haus bringen. Nein, nicht alles, korrigierte sie sich. Es gab
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