Zerrissenes Herz (German Edition)
erkundeten Daisy und Charlie die Lobby. Sie war schön, aber auf eine überdesignte, aggressive Art. Es gab großartige Kunstgegenstände: mundgeblasenes Glas, Gemälde Alter Meister, Skulpturen in beleuchteten Alkoven. Läden, in deren Schaufenstern kostbare Juwelen funkelten, Boutiquen mit bunter Mode, kostspieligen Geschenken, Taschen und Gepäck säumten die Eingangshalle. Die glitzernde Künstlichkeit weckte in Daisy das Gefühl, in einem Paralleluniversum gelandet zu sein. Hinter dem ganzen Lärm und Trubel hörte sie ganz leise den Motor, der die ganze Stadt anzutreiben schien: das elektronische Klingeln und Gurgeln der Einarmigen Banditen und der Spiele, die in einem in der Halle nicht zu sehenden Kasino gespielt wurden.
„Das ist echt unglaublich“, sagte sie während der Liftfahrt zu Logan. „Ich bin völlig von den Socken.“
„Ich auch“, sagte Charlie.
„Ihr habt unser Zimmer noch nicht gesehen.“
Es war im obersten Stock. Daisy hielt den Atem an, als Logan es mit der Schlüsselkarte öffnete. Er ließ die Tür aufschwingen, und sofort musste Daisy laut aufkeuchen. Der Raum war erfülltvon Sonnenlicht, das durch hauchzarte Vorhänge hineinsickerte.
Vom Balkon aus schaute man auf das Herz von Vegas. In der Suite selbst gab es eine Sitzecke mit Bar und Flachbildfernseher. Das Kingsize-Bett war im üppigen Rokokostil gehalten. Charlie raste zum Fenster und drückte die Nase an die Scheibe. „Ich liebe Las Vegas“, erklärte er.
Lachend nahm Logan ihn auf den Arm. „Wir werden das Beste aus diesem Abend machen, okay?“
„Können wir jetzt schwimmen gehen?“
Logan nickte, und Charlie rannte zu seinem Koffer, um seine Badehose zu suchen.
„Beim Packen habe ich nicht daran gedacht, dass wir einen Zwischenstopp einlegen könnten“, sagte Daisy und nahm seine immer noch feuchte Badehose aus der Plastiktüte, in die sie sie gepackt hatte.
„Ist schon okay, Mom“, beruhigte Charlie sie. „Im Pool werden wir sowieso wieder nass.“
Sie verzog das Gesicht. „Was gibt es Schlimmeres, als eine nasse Badehose anziehen zu müssen?“
„Ich habe eine großartige Idee. Warum gehst du nicht in die Lobby und kaufst dir einen neuen Badeanzug? Und ein Kleid. Kauf dir ein wirklich hübsches Kleid für heute Abend!“
„Oh, ich glaube nicht …“
„Komm, mach mir die Freude. Guck mal, sie haben mir beim Einchecken einen 20%-Gutschein für eine der Boutiquen unten gegeben.“
„Ich brauche kein …“
„Tu es einfach, Daisy. Es würde mich glücklich machen. Charlie und ich treffen dich dann am Pool.“
„Na gut, bevor ich mich schlagen lasse.“ Sie grinste. „Ich beeil mich.“
Der Shop, für den sie den Coupon hatte, hieß Lola’s, und auf dem Schild im Schaufenster stand: „Was immer Lola will, bekommt Lola auch.“ Die Auswahl ging sehr in die Richtung vonBuntbedrucktem, Goldlamé und Übergrößen. Die einzige andere Person im Laden war die Frau mittleren Alters am Tresen, deren Haut zu viel Sonne gesehen hatte und deren Haar gefärbt, dauergewellt und zu einer Frisur aufgetürmt war, die irgendwann Mitte der Achtziger aus der Mode gekommen war.
„Willkommen bei Lola’s“, sagte sie mit der Stimme einer Raucherin. Sie hatte ein nettes Lächeln, das die gewisse Einsamkeit, die Daisy nur zu gut selber kannte, jedoch nicht überspielen konnte.
„Ich, äh, bin eigentlich auf der Suche nach einem Badeanzug.“ Daisy fühlte sich ein wenig gefangen zwischen all den metallischen Stoffen.
„Ah. Ihr Mann hat mich angerufen.“
„Mein Mann?“
„Mr O’Donnell, Suite 3.347.“
Daisy dachte sofort an Charlie. „Ist etwas passiert?“
„Nein, überhaupt nicht. Er wollte nur sichergehen, dass Sie hier alles bekommen, was Sie brauchen, und dass die Rechnung auf ihn geht.“
Logan liebte große Gesten wie diese.
Die Ladenbesitzerin kicherte und deutete auf die vollgepackten Kleiderständer. „Sie sind eine glückliche Frau. Also los, suchen Sie sich aus, was Ihr Herz begehrt!“
„Danke“, erwiderte Daisy höflich. Sie wusste, dass sie aus diesem Laden nicht rauskommen würde, ohne eines der zigeunerhaften Outfits gekauft zu haben. „Ich brauche wirklich nur einen Badeanzug.“
„Lassen Sie mich sehen, was ich in Ihrer Größe dahabe. Sie sind ein wenig schlanker und jünger als meine Kunden sonst. Oh, das hätte ich vermutlich nicht sagen sollen.“ Mit fachkundiger Präzision durchsuchte sie ein Regal. „Das hier sind leider die einzigen beiden, die ich in S
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