Zersetzt - Thriller (German Edition)
Psychologin wie gebannt an. Sie musste die erneute Konfrontation mit ihrem Trauma verarbeiten.
»Ja … oder ... wie war die Frage noch mal?« Julia biss sich auf die Unterlippe.
»Nehmen Sie noch die Medikamente, die ich Ihnen verschrieben hatte?«
»Ich weiß es nicht genau.« Julia senkte den Kopf, Tränen kullerten über ihre Wangen und tropfen auf die Wolldecke.
»Sie haben Menschen gerettet, Ihre Mutter bei diesem Unfall verloren, Ihr Vater musste sich einer schweren Operation unterziehen und vor allen Dingen …«, die Psychiaterin stockte kurz in ihrer Zusammenfassung.
»Sie haben ihr ungeborenes Kind verloren.«
»Wir müssen die Sitzung fortsetzen, ich denke, dass ich jetzt einen Anhaltspunkt habe.«
Julia wischte sich mit ihrem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. Dr. Seifert nickte und murmelte etwas Undeutliches vor sich hin.
Kapitel 4
» I n der heutigen Redaktionssitzung möchte ich euch auf den neuen Wettbewerb hinweisen. Wer in sechs Wochen die heißeste Story abliefert, bekommt seine eigene Serie auf Seite zwei«, trug der glatzköpfige Chefredakteur Dr. Lehmann vor, nahm einen großen Schluck aus seiner Teetasse und lehnte seinen rundlichen Körper in den quietschenden Sitzungsstuhl zurück. Bettina, die am anderen Ende des langen Konferenztisches saß, neigte den Kopf und warf Julia über ihre zu tief sitzende Brille einen triumphierenden Blick zu.
»Da müssen dann mal wieder die Profis ran.« Bettina strich sich ihre roten Haare aus dem Gesicht, beugte sich zur Freude aller männlichen Teilnehmer über den Tisch und nahm sich ein Mineralwasser. Ihre Oberteile waren generell sehr tief ausgeschnitten und ermöglichten jedem einen freien Blick auf ihre mit einem Push-up hochgeschobenen Apfelsinenbrüste. Sie rückte ihre Mappe zurecht und räusperte sich.
»Ich habe natürlich das richtige Thema, wenn ich das mal kurz erläutern dürfte ...«
Dr. Lehmann fiel ihr ins Wort:
»Frau Berger, behalten Sie das Thema für sich und liefern Sie mir in sechs Wochen ein fertiges Konzept ab. Danke, das war´s für heute.« Die Rothaarige hielt inne, packte ihre Sachen zusammen, stand auf und zog sich ihren viel zu kurzen Rock über den Po nach unten. Auf dem Gang stieß Felix Julia an.
»Diese aufgetakelte Bettina m-m-muss s-s-sich immer in den Vordergrund drängen. Aber der zeigen wir es. Das wäre doch die ideale S-S-Story. Wir forschen über diese mysteriöse Krankheit deines Vaters und der anderen Patienten nach, dann haben wir zwei Fliegen m-m-mit einer Klappe geschlagen.« Im gleichen Moment schubste Bettina Julia von hinten zur Seite und raunzte im Vorbeigehen:
»Ihr glaubt doch nicht, dass ihr eine Chance gegen mich habt, ihr Anfänger.« Bettina war ein halbes Jahr länger beim Berliner Anzeiger als Julia und hatte ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass ihr das Interview mit der Gesundheitsministerin zugestanden hätte und nicht Julia.
»Käffchen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, schob Julia die Pflanze, die als Sichtschutz diente, zur Seite und stellte Felix die große, dampfende Tasse auf den Schreibtisch.
»Danke, wenn ich dich nicht hätte.«
»Dann würdest du jeden Morgen verschlafen und hättest keinen Job mehr. Zumindest keinen als Fotograf beim Berliner Anzeiger«, flachste sie. Felix grinste, und dabei kamen seine strahlend weißen Zähnen zum Vorschein.
»Wie geht es deinem Vater?«
»Stabil, sagen die Ärzte. Sie suchen nach Übereinstimmungen, vergleichen Medikamente und führen verschiedene Untersuchungen durch.«
Es ging wie jeden Tag sehr hektisch zu in der Redaktion. Felix und Julia saßen an zwei gegenübergestellten Schreibtischen im Großraumbüro.
»Der erste Ansatz für unsere Recherchen heißt Oberschwester Kati«, berichtete Julia und rümpfe die Nase bei dem Geruchsgemisch aus kaltem Kaffee, Papier, Parfüm und Schweiß.
»Es ist sehr heiß heute, wir s-s-sollten doch einigen Kollegen ein Deo schenken«, kommentierte Felix sein Naserümpfen. Als Julia zum nächsten Satz ansetzten wollte, telefonierte ein Kollege am Nachbarschreibtisch so laut, dass auch der Letzte im Raum verstehen musste, welche Schule den Schreibwettbewerb gewonnen hatte und wann die Eröffnungsfeier des neuen Nobelhotels stattfinden sollte. Das Klingeln ihres eigenen Telefons hörte Julia über dem Lärm kaum.
Nach dem Telefonat, bei dem Felix akribisch jegliche Mimikveränderung bei Julia beobachtet hatte, rutschte er aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her.
»Nun spann
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