Zersetzt - Thriller (German Edition)
den alten Golf und versuchte ihn zu starten.
»Jetzt wird es aber Zeit für ein neues Auto – s-s-spring endlich an.«
»Alte Herrschaften möchten freundlich behandelt werden.« Julia streichelte über das Armaturenbrett. Nach dem fünften Versuch kündigte der Wagen mit einem laut knatternden Auspuff seine Fahrbereitschaft an.
»Möchtest du gleich zurück zu Robert oder können wir noch auf unseren Erfolg m-m-mit einem Gläschen …, ach s-s-so, ich bin ja der Fahrer, ähm m-m-mit einem leckeren Cappuccino anstoßen?«
»Klar. Ich muss nur schnell mein Schmerzmittel einnehmen, und du fährst uns zu einem schönen Café.« Julia öffnete das Tablettenröhrchen und schluckte eine der Pillen.
»Hat dich Big Bill überhaupt noch mal in seiner Wohnung Willkommen geheißen?«
»Kein Problem, ich hatte eine Familienpizza dabei. Er hat die Daten bereitwillig ein zweites Mal entschlüsselt und mir den S-S-Stick sofort wieder mitgegeben. S-S-Seine Sicherheitsvorkehrungen hat er aufgestockt und Mr.Spock gegen S-S-Super Woman ausgetauscht«, lachte Felix.
Die Gegend wurde ländlicher. Da Julia nicht auf die Beschilderung geachtet hatte, konnte sie nicht einordnen, wo sie sich gerade befanden. Felix bog in einen kleinen Waldweg ab.
»Hey, was hast du denn vor?«
»Nicht was du denkst, das ist ein Geheimtipp. Da vorne ist ein Parkplatz, und nach ein paar hundert M-M-Metern zu Fuß erreichen wir ein idyllisches Café im Wald. Laufen s-s-schadet jetzt auch nichts oder?«
»Nein, ganz im Gegenteil«, erwiderte Julia.
Felix parkte den Wagen und hielt Julia gentlemanlike die Beifahrertür auf.
Die Sonne funkelte durch die bunten Blätter. Außer Vogelgezwitscher war jetzt nichts mehr zu hören.
»Bist du dir sicher, dass das der richtige Weg ist, dieser kleine Trampelpfad?«
»Ich sag doch, das ist ein Geheimtipp«, wiederholte Felix.
»Dann machen die aber bald pleite.« Felix der vor Julia lief drehte sich um. Julia stolperte über eine ausladende Wurzel und fiel direkt in seine Arme.
»Hoppla du bist aber s-s-stürmisch, Baby«, lachte er. Sie sahen sich einen Moment tief in die Augen. Julia wandte sich abrupt ab und überspielte das aufkommende Gefühl.
»Wie weit ist es denn noch?«
»Über die Brücke da vorne und dann noch etwa 200 M-M-Meter.«
Sie lehnten sich an das Brückengeländer und betrachteten den Flusslauf.
»Das ist so versteckt hier mitten im Wald, schön. Jetzt wird es auch endlich mal Zeit, dass ich Berlin und die Umgebung …« Felix musste etwas gehört haben, denn er drehte sich schlagartig um. Julia sah in seine angstgeweiteten Augen.
»Was ist…« Felix trat einen Schritt auf sie zu und schubste Julia beiseite.
»Neeiin«, schrie er. Ein ohrenbetäubender Knall durchbrach das Idyll. Julia lag am Boden und sah wie Felix über die Brüstung in die Tiefe stürzte. Er kann nicht schwimmen! Julia kletterte ohne darüber nachzudenken über die Begrenzung und sprang hinterher. Der Fluss war nicht sehr tief und sie musste unter Wasser an einen harten Gegenstand geknallt sein. Julia dachte nur noch an Felix, stieß sich mit den Füßen beherzt am Untergrund ab und tauchte sofort wieder auf. Felix trieb bäuchlings auf dem Wasser. Mit ein paar Schwimmzügen war sie bei ihm angelangt. Sie drehte ihn auf den Rücken. Sein weißes T-Shirt zeigte einen großen roten Fleck auf der Brust. Julia drehte behutsam den linken Arm hinter seinen Rücken. Mit der anderen Hand hielt sie Felix Kinn über Wasser und schwamm rückwärts mit ihm ans Ufer.
»Felix«, schrie Julia und zog ihn an Land. Im ersten Moment musste sie ihre Gedanken ordnen. Schuss? Wer? Warum?
»Felix«, rief Julia abermals. Blut rann aus einer Wunde an Julias Schulter. Eine Schmerzwelle durchfuhr ihren Körper. Julia drückte die Hand auf ihren Rippenbogen, um gegen das Stechen anzukämpfen, das ihr die Luft zum Atmen nahm. Sie starrte zu dem leblosen Körper und ihre Verzweiflung wurde für einen Augenblick in ein zeitliches Vakuum verschoben. Die Zeit schien still zu stehen. Plötzlich war ihr eines ganz bewusst. Alles andere erschien unwichtig. Es spielte keine Rolle, ob sie eine gute Journalistin werden würde. Materielles rückte in den Hintergrund. Es zählte nur noch eines. Menschen. Menschen, die ihr ganz nah standen, denen sie bedingungslos vertrauen konnte, die sie so nahmen, wie sie war, mit ihren Fehlern, Ecken und Kannten. Menschen, die ihre Seele berührten. Es gab nur wenige solcher Perlen, die sie pflegen und
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