Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
bin ich gar nicht aufgewacht, das war Teil des Traums.« Meine Wangen brennen.
»Verstehe«, sagt sie amüsiert. »In deinem Alter sind solche Träume ganz normal.«
Obwohl es besser wäre, ich würde die Sache auf sich beruhen lassen, sträubt sich alles in mir. Es ist eine wirkliche Erinnerung. Auch wenn ich es lieber hätte, der Junge wäre nicht Katran, weiß ich, dass es sich so zugetragen hat.
Abermals blickt sie auf ihren Bildschirm.
»Ist zu Hause alles in Ordnung?«
»Ja.«
»Wirklich?« Ihr Blick ist fest auf mich geheftet.
Irgendetwas muss ihr zu Ohren gekommen sein. Mir versetzt es einen Stich: Mum. Muss ja wohl so sein, offenbar schreibt sie Berichte. Also ist es doch Mum. Dad ist die ganze Zeit nicht da und wer sollte sonst dahinterstecken?
Was darf ich ihr sagen?
»Ähm …«
»Sprich.«
»Also, ich glaube, Mum und Dad verstehen sich nicht mehr so gut.«
»Aha. Und bedrückt dich das?«
»Nein. Mich stört es nicht, dass Dad häufiger unterwegs ist.«
Dr. Lysander legt den Kopf schief. Denkerpose. »In deinem Vertrag steht, dass beide Elternteile dir helfen sollen, dich zu Hause und in der Gesellschaft zurechtzufinden.«
Erschrocken reiße ich die Augen auf. »Ich habe ja auch beide Elternteile, nur dass einer ab und zu mal weg ist!«
»Keine Sorge, Kyla. Solange du und deine Schwester zu Hause ein stabiles Umfeld habt, muss ich auch nirgends Meldung machen.« Sie schaut auf die Uhr. »Die Zeit ist fast vorbei. Gibt es noch etwas, über das du gerne sprechen möchtest?«
Und wieder durchbohrt sie mich mit ihrem Blick. Wenn sie mich so ansieht, muss ich aufpassen, dass ich nichts Unüberlegtes sage. Mir gelingt es, den Kopf zu schütteln und aufzustehen. Ich gehe zur Tür.
»Oh, Kyla?« Ich drehe mich noch mal um. »Beim nächsten Mal erzählst du mir dann, was dich so beschäftigt«, sagt sie.
Ich haste hinaus, gerade noch mal davongekommen.
Der Lorder steht immer noch vor ihrer Tür. In Habachtstellung, den Blick stur geradeaus gerichtet. Ich kann nicht anders und drehe mich noch einmal zu ihm um.
Er zwinkert.
Fast stolpere ich über die eigenen Beine.
Dafür könnte er sicher eine Menge Ärger bekommen.
»Dad hat gestern Abend angerufen«, sagt Mum auf dem Nachhauseweg, mit einem Auge behält sie die Fahrbahn im Blick, mit dem anderen sieht sie mich an. Wie immer ist der Verkehr ums Krankenhaus stockend, also muss sie sich beim Fahren nicht sehr konzentrieren.
»Wie geht’s ihm denn?«
»Gut. Er hat sich nach dir erkundigt.«
»Echt jetzt?«, frage ich überrascht. »Was hast du ihm gesagt?«, sprudelt es aus mir heraus.
»Na, was ich halt so von dir höre: In der Schule läuft es prima, Cam ist bloß ein guter Freund, alles bestens.« Sie seufzt. »Ich wünschte …«
»Was?«
»Ich wünschte, du würdest wenigstens mich nicht mit diesen Floskeln abspeisen. Wir hatten bis vor Kurzem doch noch echte Gespräche, Kyla. Erinnerst du dich? Was ist in letzter Zeit nur mit dir los?«
Ich beiße mir auf die Wange. Konzentrier dich!
»Gar nichts.« Ich lächle, inzwischen kann ich mich schon gut verstellen, aber ganz überzeugt scheint sie nicht.
»Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du was auf dem Herzen hast. Es bleibt alles unter uns, okay?«
»Natürlich«, sage ich. »Das weiß ich doch.«
Aber was ich nicht weiß, ist, wer mich an die Lorder verraten hat. Und selbst wenn ich wüsste, dass sie es nicht war, wo sollte ich nur anfangen? Etwa damit, dass ich zu Free UK gehöre, der Organisation, die ihre Eltern auf dem Gewissen hat? Oder, dass ich in Wirklichkeit ein Spitzel der Lorder bin, der nun Free UK unterwandert. So oder so wäre Mum nicht begeistert.
Ich beobachte sie beim Fahren. Gehört sie als Tochter des höchsten Lorders zu ihnen oder nicht? Abgesehen davon beschäftigt mich eine weitere Sache jetzt noch viel mehr.
»Eines verstehe ich nicht«, sage ich schließlich und breche das Schweigen.
»Und das wäre?«
»Warum hast du mich und Amy adoptiert? Du hast doch gar keine Ahnung, was wir verbrochen haben. Wir könnten Terroristen oder Mörder sein.«
»Besonders blutrünstig kommst du mir nicht gerade vor.«
Der Schein kann täuschen.
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Das kann ich nicht. Aber ich weiß, wer du jetzt bist. Wer ihr beide seid.«
Ich schaue aus dem Fenster. Weiß sie wirklich, wer ich bin? Hat sie mich deshalb an die Lorder verraten? »Aber was ist mit deinen Eltern? Und deinem Sohn? Die sind von den RT in die Luft
Weitere Kostenlose Bücher