Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
grünes Spielfeld mit einer Laufbahn ringsum. Am Ende des Felds steht ein großes Gebäude, eine Turnhalle vielleicht? Eine Gruppe von etwa zwölf Jungen, ein Trainer und ein paar Zuschauer sind zu sehen. Die Jungen machen Dehnübungen.
»Können wir rübergehen? Damit wir sie von Nahem sehen?«
»Warte einen Moment. Die drehen gleich ihre Runden, dann hast du einen besseren Blick. So lange musst du dich hiermit begnügen.« Aiden reicht mir ein Fernglas, und ich schaue eifrig hindurch, versuche, die Gesichter zu erkennen, aber die Jungen sind ständig in Bewegung und drehen den Kopf weg und …
Da.
»Ich glaube, ich habe ihn. Ganz außen.«
Ich gebe das Fernglas an Aiden weiter. »Könnte sein«, sagt er. Er gibt mir das Fernglas zurück und ich sehe abermals durch. Bist du’s wirklich Ben?
Nach ewigen Zeiten fangen sie endlich an, ihre Runden zu laufen. Je näher sie kommen, desto überzeugter bin ich, dass es Ben ist. Was ich von seinem Gesicht sehen kann, stimmt, aber auch der Körper und die Art, wie er läuft: Leichtfüßig springt er den anderen schon nach kurzer Zeit davon.
»Das ist er!«
Ich wende mich zur Tür und strahle übers ganze Gesicht. Schon dieser kurze Blick aus der Ferne lässt mein Herz höherschlagen, das Blut rauscht nur so durch meine Adern. Ich will nur noch zu ihm, die Arme um ihn schlingen und …
»Moment.« Aiden hält mich fest.
»Aber ich muss doch zu ihm.«
»Nicht so hastig. Offenbar warst du zu sehr mit Ben beschäftigt, um es zu bemerken.«
»Was zu bemerken?«
»Ein schwarzer Van ist gerade vorgefahren. Da drüben bei den Gebäuden. Was siehst du da?«
Mit bangem Gefühl hebe ich das Fernglas und richte es auf das Ende des Spielfelds. Mehrere Gestalten. Männer. Schwarz gekleidet. Sie beobachten die Läufer, die sich ihnen auf der Rückrunde nähern. Ein kalter Schauder läuft mir über den Rücken und unwillkürlich trete ich einen Schritt vom Fenster weg. Doch aus dieser Entfernung können sie uns nicht sehen, es sei denn, sie hätten auch ein Fernglas. Was sie vielleicht sogar haben, falls es einen Grund gibt, Ausschau zu halten. Nach etwas Verdächtigem wie dem unbekannten Lieferwagen einer Telefongesellschaft. An einem Sonntag. Mir stockt der Atem.
»Was wollen denn die Lorder hier?«
»Keine Ahnung. Tut mir leid, aber heute wird das mit dir und Ben nichts. Mir gefällt das nicht. Wir sollten uns aus dem Staub machen.«
Ich bin enttäuscht. »Aber ich kann doch nicht abhauen, ohne mit ihm gesprochen zu haben. Ohne zu wissen, wie es ihm geht. Ich muss ihn sehen!« Und ihn vor Coulson warnen . Wenn ich Coulson nicht bald die Pläne von Free UK präsentiere, macht er seine Drohung sicher wahr.
»Sorry, aber das ist zu gefährlich. Wir verschwinden von hier, und zwar sofort.«
Aiden timt unseren Abgang so, dass sich die meisten Läufer auf ihrer zweiten Runde direkt zwischen uns und den Lordern befinden. Wir schlüpfen aus dem Haus, und beim Einsteigen in den Wagen muss ich mich zusammenreißen, um nicht einfach quer über den Sportplatz zu Ben zu stürmen. Aber schließlich habe ich Aiden mein Versprechen gegeben.
Diesmal bin ich hinten ganz allein. Aiden sitzt mit dem Fahrer vorn, damit er sich einen Überblick über die Situation verschaffen kann.
Als ich die Kurven zähle, während wir um den Sportplatz fahren, wird mir klar, dass wir direkt an den Lordern vorbeimüssen. Ängstlich drücke ich mich auf den Boden, weit weg vom Heckfenster. Doch niemand behelligt uns.
Sobald wir die Sportanlagen hinter uns gelassen haben, bahne ich mir einen Weg durch den Dschungel aus Kabeln und Krempel, um aus dem Fenster zu schauen. Gegenüber befinden sich mehrere Schulgebäude, ist das vielleicht das Internat, das Ben besucht? Dahinter liegt ein Kanal, wir überqueren eine Brücke, und ich entdecke einen Pfad, der direkt am Ufer verläuft.
Hier würde Ben joggen. Frühmorgens. Sicher.
Allmählich macht sich die Enttäuschung auch körperlich bemerkbar, ich zittere am ganzen Leib und rolle mich auf dem Boden zusammen. Wir waren so nah dran! Ich kämpfe mit den Tränen. Doch wozu soll ich einen Kampf führen, den ich ohnehin verliere?
Der Wagen wird langsamer, kommt zum Stehen.
Gleich darauf öffnet Aiden die Tür. Ich wische mir die Tränen mit dem Ärmel weg.
»Meinen Kollegen habe ich an der letzten Kreuzung rausgelassen. Ich habe hier nur für eine kleine Pause angehalten, okay? Steig doch mal einen Moment aus«, sagt er und reicht mir die Hand. Völlig steif
Weitere Kostenlose Bücher