Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
spalten.«
Bei ihren Worten laufen mir kalte Schauder über den Rücken. Wie schwerwiegend muss ein solches Trauma wohl sein? Ob es der Ziegelstein gewesen ist, mit dem Nico mir die Hand zerschmettert hat?
»Aber, Kyla, ich begreife es nicht. Warum sollte dir jemand so etwas antun?«
»Damit ein Teil von mir das Slating übersteht.«
Mit großen entsetzten Augen sieht sie mich an. Ich kann förmlich sehen, wie es dahinter rattert. »Solche Möglichkeiten wurden lang und breit diskutiert und für unmöglich befunden.«
Plötzlich zeigt sich eine neue Regung auf ihrem Gesicht. »Warum wurdest du geslatet, Kyla?«, fragt sie sanft.
»Die Lorder haben mich erwischt. Stand das nicht in meiner Akte?«
»In deinen Unterlagen steht, dass du während eines terroristischen Anschlags verhaftet wurdest. Identität unbekannt.« Skeptisch zieht sie eine Augenbraue hoch.
»Unbekannt?«, stammle ich. »Wird nicht jedem Baby bei der Geburt eine DNA-Probe entnommen?«
»Laut Gesetz schon. Aber mitunter kommen Kinder in abgelegenen Regionen auf die Welt, deren Eltern sich aus allem heraushalten und die so durchs Netz schlüpfen.«
In meinem Kopf dreht sich alles. Kann es sein, dass die Lorder nicht wussten, wer ich war? Obwohl ich auf der Homepage von MIA als vermisst gemeldet bin? Ich fasse es nicht, dass die Lorder diese illegale Website nicht überwachen. Aber vielleicht erklärt es auch einiges. »Wenn keiner wusste, wer ich war, wie konnte man mich denn slaten? Dann kannte doch kein Mensch mein Alter.«
»Mit einfachen Zelltests lässt sich das Alter sehr genau bestimmen, Kyla. Und in deinem Fall wurde das auch rechtmäßig durchgeführt. Du warst noch unter 16.«
»Aber das stimmt nicht. Ich war schon 16, das weiß ich ganz genau. Ich erinnere mich nämlich an meinen Geburtstag.«
»Da musst du dich irren. Diese Tests sind hundertprozentig sicher. Aber genug jetzt davon, zurück zu meiner Frage. Warum wurdest du geslatet?« Damit bringt sie mich aus der Fassung.
»Ich habe keinen Schimmer. Ich kann mich an nichts erinnern.«
Ihre Augen, die hinter uns auf den Weg gerichtet sind, bewegen sich hektisch hin und her und werden immer größer. Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie Katran mit dem Lorder auf dem Boden ringt. Aber ich habe doch noch kein Signal gegeben. Erst einmal wollte ich den Wachmann abschütteln. Was geht hier vor sich? Und da prescht Dr. Lysander auch schon in entgegengesetzte Richtung davon, treibt ihr Pferd an. Fluchend bleibe ich zurück. Durch die Fragen war ich vollkommen abgelenkt! Ich hätte aktiv werden, sie packen sollen.
Doch bevor ich ihr nachsetzen kann, bringt sie ihr Pferd abrupt zum Stehen und nimmt die Hände hoch. Was soll das? Und dann sehe ich zwei unserer Leute, die ihre Waffen auf Heathcliff gerichtet haben. Das Leben ihres Pferdes will sie nicht aufs Spiel setzen.
Keuchen und Röcheln hinter mir. Als ich mich umschaue, hält Katran den Lorder im Klammergriff fest und hat ihm einen Arm auf den Rücken gedreht. Doch dann lässt er ihn gehen, stößt ihn von sich. Und während der Lorder langsam auf dem Boden zusammenbricht, wischt Katran das Messer im Gras ab.
Rot.
Nicht nur ein roter Tropfen. Ein blutiger Strom ergießt sich aus dem Hals des Lorders. Einmal zuckt er noch, dann liegt er still da. In dem Moment falle ich vom Pferd.
Dunkelheit um mich herum, ich habe einen ekligen Geschmack im Mund. Ich liege auf etwas Weichem. Mein Kopf ist wie in Watte gehüllt. Wie … wo? Ich schlage die Augen auf. Nur langsam nimmt der Nebel um mich Kontur an.
Ein kleiner Raum, eine verschlossene Tür. Ein vergittertes Fenster. Und ich bin nicht allein. Ein paar Schritte von mir entfernt steht Dr. Lysander, sie späht durch die Stäbe.
Ich setze mich auf.
Daraufhin wendet sie sich mir zu. »Alles okay, Kyla?«, fragt sie leise und gefasst.
Jetzt weiß ich gar nichts mehr. »Was ist denn passiert?« Meine Stimme klingt so fremd.
»Das weißt du wohl besser als ich. Aber vielleicht auch nicht. Du bist ja ebenfalls eingesperrt.«
Ich habe diesen widerlich sauren Geschmack im Mund und meine Klamotten sind in einem schrecklichen Zustand. Verschlammt und voller … Ist das etwa Kotze?
Vom Geruch wird mir speiübel, ich atme ruhig ein und aus, bis das Gefühl vorübergeht.
»Gibt es hier Wasser?«, frage ich.
»Nein.« Dr. Lysander schlägt gegen die Tür. »Hallo da draußen! Wir brauchen Wasser.« In ihrer Stimme schwingt wie immer eine überlegene Autorität mit, die ihr hier wohl kaum
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