Zersplittertes Herz
gewünscht habe, ich wäre ein anderes Mädchen, sodass ich diese Lippen küssen könnte, ohne mich zu fühlen, als würde ich etwas Wunderschönes verunstalten. »Entschuldige. Was?«
»Ich bringe dich ins Krankenhaus.«
Ich lächle. »Wirst du dich um mich kümmern? Willst du mich nicht einfach verbluten lassen? Wäre das nicht … einfacher?« Ich höre mich so verdammt dramatisch an, dass ich lachen muss.
Er zieht die Brauen zusammen und sagt etwas über Schock. Dann lehnt er sich nahe an mein Gesicht, und ich denke, er wird mich küssen. Ich öffne die Lippen und warte. Ich vermisse das Gefühl von seinem Mund auf meinem.
Er holt tief Luft durch die Nase. »Du bist betrunken.«
Ich hebe eine Schulter. »Ich bin jetzt alt genug.«
»Gott«, murmelt er. Er sagt noch was, sieht sich in meinem Atelier nach etwas um, während ich meinen Blick nicht von seiner prachtvollen, nackten Haut und seinem breiten Rücken losreißen kann. Habe ich ihn dort geküsst, als ich die Chance dazu hatte? Warum kann ich mich nicht erinnern?
Er schnappt sich meine Tasche und schlingt einen Arm um meine Taille. In der nächsten Minute sind wir plötzlich im Aufzug, und ich lehne mich an ihn. Er ist so warm.
»Ja, und du bist betrunken«, sagt er.
Ich ziehe die Brauen zusammen. Habe ich etwas gesagt?
Dann gehen wir wieder, und er setzt mich ins Auto, und ich denke, ich bin ein wenig eingeschlafen, denn jetzt öffnet er meine Tür und zieht mich auf die Beine. Er hat sein Hemd wieder an. Wann ist das passiert? Warum ist es passiert?
»Warum bist du so nett zu mir?«, frage ich.
»Ich bin nicht nett. Du bist nur zu betrunken, um zu bemerken, dass ich wütend auf dich bin.«
Sein Arm ist um meine Taille gelegt, und wir bewegen uns durch die Schiebetüren. Er sagt etwas zu dem Mann, der hinter dem Schalter sitzt, während ich blinzle, weil meine Augen etwas gegen das grelle Licht einzuwenden haben.
»Du bist böse auf mich?«
Er hilft mir auf einen Stuhl und inspiziert meine Hand. Der Baumwollstoff ist durchtränkt mit knallrotem Blut, das ganz und gar nicht echt wirkt. Es sieht aus, wie etwas aus einem zweitklassigen Film.
»Besäufst du dich oft und spielst dann mit scharfen Glasstücken?«
Oh
. Jetzt kann ich es hören. Er ist wütend.
Ich lächle. Ich mag es, wenn Will wütend wird. Er verhält sich süß und beschützerisch. Jeder weiß, dass ich Abschaum bin; durch Wills Verhalten fühle ich mich jedoch, als wäre ich mehr wert. »Ich kann keine Kunst kreieren, wenn ich nicht entspannt bin.«
»Es ist dämlich, und es ist gefährlich.« Er lässt sich auf dem Stuhl neben mir nieder, und ich lehne meinen Kopf an seine Schulter. Er runzelt die Stirn, und ich lächle zu ihm auf.
Ich habe ihm die Nacht verdorben. Dann lache ich, weil es nicht mehr Nacht ist und Will seinen Tag vermutlich gerade begonnen hatte. Vermutlich hatte er einiges zu tun. Abteilungsmeetings. Die Ausarbeitung von Lehrplänen. Ich habe seinen Tag ruiniert.
»Du hast gar nichts ruiniert.« Sein Blick trifft meinen, und obwohl ich angetrunken hoch zwölf bin, kann ich den Schmerz in ihm erkennen. Die Verwirrung. Sein Blick bleibt so lange auf meinem fixiert, dass es sich wahrscheinlich unangenehm anfühlen sollte. Aber es ist Will, und ich liebe ihn schon eine Ewigkeit. Ich könnte ihn für immer ansehen. Ich könnte ihn mich für immer ansehen lassen. Wenn ich nicht der Meinung wäre, dass er etwas Besseres verdient.
»Du bist dran«, sagt er.
Ich blinzle und bemerke, dass sie meinen Namen aufrufen.
Nickend komme ich auf die Beine, taumle nur ein wenig. Ich habe zwei Schritte in Richtung der Tür gemacht, bevor mir auffällt, dass er sich nicht bewegt hat. Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. »Kommst du?« Ich beiße mir auf die Lippe und sehe zu, wie er einen inneren Kampf ausfechtet.
Ich will sie ihm nicht erklären. Die Einsamkeit. Die Angst, sie könnte mich mit Haut und Haaren verschlingen und dass ich einfach verschwinden werde. Die noch größere Angst, dass alles einfacher wäre, sollte das geschehen. »Bitte.«
Er steht auf und legt den Arm um mich, bevor er mich nach hinten zum Untersuchungsraum führt. Ich rede mir ein, dass ich mich nur an ihn lehne, weil ich betrunken bin. Ich sage mir, dass es okay ist, weil ich verletzt bin. Aber was ist mit dem Glück, das ich fühle, sobald er seinen Arm um mich gelegt hat? Dass seine Wärme und sein leises Murmeln die Einsamkeit so viel besser zu verjagen vermögen, als der
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