Zerteufelter Vers (German Edition)
denn?«
Rommerz´ Lächeln wurde noch wärmer und seine Unsicherheit war klar zu spüren, als er sie ansah. »Sie haben Mareike nicht angerufen, stimmt´s?« Rommerz lachte kurz und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Wie machst du das?« Verlegen schaute sie Richtung Boden, ehe sie ihn erneut musterte. Immerhin brauchte sie einen kleinen Vorsprung in seine Gedankenwelt, wenn sie ihm Rede und Antwort stehen wollte. Gloria suchte nach Anhaltspunkten, die ihr Aufschluss über seine Tochter geben würden, doch das war einfacher gesagt als getan. Das einzige, was sie sah, waren seine Zweifel und Fragen.
»Sie müssen keine Angst haben, dass Mareike Sie rauswirft, wenn Sie zu ihr fahren.« Rommerz schaute sie skeptisch an und schmunzelte. Seine Unsicherheit wirkte plötzlich wie ausradiert und Gloria wartete darauf, dass er etwas erwiderte. »Warum hörst du, was andere denken?« »Das tue ich gar nicht.« Rommerz blickte sie belustigt an. »Ich kann keine Gedanken hören. Ich sehe nur Bilder und die Gefühle, die ein Mensch damit verbindet.« Interessiert taxierte er sie, als Gloria weitersprach: »Es funktioniert nicht immer; nur bei manchen.« Skeptisch zog er die Stirn in Falten. »Und seit wann?«
Gloria fand diese Frage-Antwort-Runde blöd. Eigentlich hatte sie gedacht, dass es ihn mehr interessieren würde, Neues über seine Tochter zu erfahren. »Kann ich dann wieder gehen…?« Rommerz stutzte. Die Art und Weise, wie er Gloria Fragen gestellt hatte, war ihm plötzlich unangenehm und Gloria konnte in seinem Blick sehen, dass er sehr wohl daran interessiert war, mehr zu erfahren. »Was kannst du mir noch über meine Tochter erzählen?« Gloria schaute ihn mitleidig an. Sie war selbst ratlos, aber das wollte sie ihm lieber nicht sagen. Stattdessen dachte Gloria an das Buch. Sie hatte die Gedichte darin so oft gelesen und kannte diese nahezu auswendig.
»Ich kann Ihnen nur sagen, dass das Leben zu kurz ist, um sich mit Nichtigkeiten aufzuhalten! Mareike würde sich sicher gern mit Ihnen aussprechen und Sie doch im Grunde genommen auch mit ihr…?« Rommerz schaute sie nachdenklich an. »Was soll ich denn tun?« »Rufen Sie sie an. Fliegen Sie zu ihr.« Es brauchte keine hellseherische Fähigkeit, um erraten zu können, dass Rommerz Angst davor hatte, über seinen Schatten zu springen. Plötzlich fiel Gloria wieder das Gespräch mit der Frau auf dem Campingplatz ein. Sie konnte sich noch genau erinnern, als die Frau ihre Wasserkanister befüllte und dabei erzählte: »Das Schwierigste ist es, Veränderungen zu akzeptieren.«
Rommerz schaute sie nachdenklich an. »Scheinbar muss ich das immer noch lernen.« Gloria blickte kritisch zu ihm und dachte an das allererste Mal, als sie in seine Seele sah: Gloria hatte den Eindruck gehabt, dass er nur noch in der Vergangenheit lebte. Aktuelle Ereignisse und Gedanken waren kaum greifbar gewesen… Rommerz ergriff von neuem das Wort und erzählte, wie Mareike ihm damals mitgeteilt hatte, dass sie fortgehen würde. Ihr Abschied erschien ihm unverständlich und kaltherzig. Aber er hatte sich nie einen Reim darauf machen können, warum sie ihn derart dringend aus ihrem Leben wissen wollte.
Rommerz´ Miene drückte die Bitternis aus, die in ihm lag. »Du hast mir gesagt, dass ich ihr angeblich nie etwas zugetraut habe, aber das stimmt nicht«. Er sah Gloria ernst an und fuhr fort: »Da hast du dich getäuscht!« Gloria blickte ihm zögerlich in die Augen und dachte an den Behandlungsraum vom letzten Mal… Was er sagte, stimmte: Genau das legte sie ihm offen. Gloria dachte nach. Sie hatte nur gesagt, was der Wahrheit entsprach, aber in seinem Blick sah sie genauso, dass er mit seinen eben dargelegten Worten aufrichtig war.
»Wahrscheinlich haben Sie Recht, aber das heißt noch lange nicht, dass Sie Ihrer Tochter auch das Gefühl gegeben haben, dass Sie ihr etwas zutrauen… dass Sie stolz auf sie sind.« Wieder schaute Rommerz sie sorgenvoll an. Er sprach kein Wort und Gloria wollte ihm nicht zwischen seine Gedanken fahren.
»Bin ich wirklich so verbohrt, dass ich es nicht merke, wenn ich selber Fehler mache?« Gloria fühlte sich unweigerlich an ihren eigenen Vater erinnert. Auch er machte sich Sorgen! – Sorgen um sie, obwohl Gloria ihm das am liebsten gar nicht zumuten wollte. Der Unterschied zwischen Rommerz und ihrem Vater bestand vor allem darin, dass in ihrer eigenen Familie niemandem ein Fehler zuzuschreiben war. Obwohl… Konnte man Rommerz wirklich unterstellen,
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