Zerteufelter Vers (German Edition)
entschuldigend an. »Ich musste dich sehen, wenn du Angst hast.« Konfus blickte sie ihm in die Augen. Doch allem Anschein nach hatte er das sogar ernst gemeint. »Spinnst du?!« »Du hast mich bloß gefragt… Und ich habe nur geantwortet.« »Und warum sollte ich Angst vor dir haben?« Er schmunzelte. »Tut mir leid.« Das war eine seltsam bescheuerte Entschuldigung für etwas, das er ganz offensichtlich nicht bereute. Gloria wartete ab, bis Kirt fortfuhr: »Weil ich dann den einzig wahren Herzenswunsch eines Menschen sehen kann.« Gloria wusste nicht, was sie davon halten sollte. Und wenn er nicht das Buch ins Spiel gebracht hätte, von dem sie bereits seltsame Dinge gewohnt war, hätte sie ihm kein Wort geglaubt. Aber sein Gesichtsausdruck wirkte ernst. »Und?«
Gloria sah ihn skeptisch an. »Nichts…. es gibt nicht viele Menschen, die aufgehört haben zu träumen. Du gehörst dazu!« Das war wie ein Schlag ins Gesicht, obwohl er mit Sicherheit nicht vorgehabt hatte, sie zu attackieren. Trotzdem schlich eine dumpfe Traurigkeit in ihr Herz und Gloria dachte an ihre Mutter und an die furchtbare Leere, die sich nicht abschütteln ließ.
»Deswegen fand ich dich interessant.« Gloria wusste nicht, wohin mit der Wut, die in ihr züngelte. Dass er Herzenswünsche sah, klang mehr als dämlich. »Streng genommen gehöre ich nicht zu dem Buch, sondern das Buch zu mir. Es war einmal mein Eigentum!«
Glorias Augen wurden ganz groß und ein Hauch von Panik stieg in ihr auf. »Willst du mir erzählen, dass du so eine Art Todbringer bist?!« Er lachte und wirkte in der Tat irritiert. »Wie kommst du denn auf so einen Mist?« Sie dachte an die vielen Todesdaten. »Du kennst doch angeblich den Inhalt.« Kirt schaute sie prüfend an. »Setzt du dich mit dem Tod auseinander?« »Ja, warum?« Er überlegte kurz und nickte schließlich. »Nur so.« Die Stimmung war hinüber, das merkte auch er. Kirt ließ ihre Hände los. Sein Gesichtsausdruck wirkte immer noch ernst.
»Du brauchst vor mir keine Angst haben. Ich stehe hier vor dir als ganz normaler Mensch.« Gloria sah ihn an und dachte nach. Sie selbst schien auch ein ganz normaler Mensch zu sein und war dennoch im Stande, die Lebensgeschichte wildfremder Personen zu erfahren, ohne sie jemals gekannt zu haben. Gab es mehrere Menschen, die solch abnormale Dinge konnten? Aber Gloria wollte nicht, dass er sie noch einmal nach dem Tod fragte. Ungern sprach sie von diesem Thema – ausgerechnet mit Kirt würde sie nicht über ihre Mum reden wollen.
»Warum kannst du Herzenswünsche sehen?« »Was kannst du, nachdem du das Buch angefangen hast zu lesen?« Sie starrte ihn an. »Ach so…« Gloria dachte nach und ergriff das Wort: »Ich kenne die Lebensgeschichte fremder Leute. Aber nicht von jedem…« Glorias Blick musterte Kirt von oben bis unten. »Bei dir zum Beispiel klappt es nicht.« Er lachte. »Und bei Kitty und Basti?« »Auch nicht.« Sie hielt inne. »Sind sie…« Gloria räusperte sich… »Ich meine, kennen sie das Buch auch?« »Nein. Ich habe im Prinzip nicht viel mit ihnen zu tun. Ich zocke übrigens auch keine Leute ab!« Kirt lächelte und dachte sicherlich an die Szene mit Gloria, die demnach eine ach so entschuldigende Ausnahme darstellte! »Weißt du, warum es das Buch überhaupt gibt? Du hast gesagt, du kennst den Sinn?!«
Kirt holte Luft. »Es ist eine Art Lebenssinn und der ist für jeden Menschen ein anderer. Eigentlich geht es nur darum, sein Leben zu leben.« Gloria zog die Augenbrauen zusammen. Er wusste mehr und blockte ganz offensichtlich ab. – Ganz so dumm war sie nun auch nicht! Kirt zuckte mit den Schultern und nahm zärtlich ihre Finger in seine Hände. Langsam strich er über sie und zog Gloria näher zu sich heran. Er fuhr mit den Fingerspitzen über ihren Rücken bis zum Nacken und nahm sie sanft in seine Arme. Gloria ließ die Augen geöffnet. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Das ganze hatte hiermit seinen Höhepunkt erreicht und sie fragte sich das erste Mal, ob es überhaupt Zufall gewesen war, dass sie das Buch fand und ob das Rätsel nicht schon längst mit dem Tod ihrer Mutter begonnen hatte. Eigentlich glaubte sie nicht an Geister, aber langsam fragte Gloria sich, was überhaupt noch normal und was unnatürlich war.
Er verlagerte sein Gewicht etwas nach hinten, um sie ansehen zu können. Doch Kirt fand nur ihren skeptisch irritierten Blick. Scheinbar gefiel ihm das. Denn sein Mund formte das Grinsen, bei dem sie nie wusste, ob er
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