Zerteufelter Vers (German Edition)
sie damit abschätzte oder nicht; er war ihr in gewisser Weise überlegen. Zumindest fühlte sie sämtliche Fragezeichen in ihrem Bauch. Und ob Gloria wollte oder nicht: Irgendetwas in ihr sträubte sich, ihm restlos zu vertrauen. Sie starrte ihm in seine schier blauen Augen. Sein Grinsen funkelte darin dämpfte ihre Schmetterlinge nochmals mit einem fahlen Beigeschmack. Er war nicht mehr der Kirt, der ihr in den letzten Tagen Angriffe und Abwehrtechniken beigebracht hatte. – Er war plötzlich wieder jener Kirt, den sie ganz zu Beginn kennen lernte: Undurchdringlich, rätselhaft… Eine zweifelnde Vorsicht züngelte in Gloria auf; allein schon dadurch, dass er – wie er sagte – in Verbindung zu dem Buch stand.
»Ich wusste, dass du mir nicht mehr vertraust, wenn ich dir erst einmal die Wahrheit gesagt habe.« Gloria schaute Kirt zweifelnd an. All ihre Gedanken verliehen ihr eine vorsichtige Skepsis. »Da hast du nicht ganz Unrecht!« Sein Blick wirkte klar und nüchtern. Die Tatsache, dass das Buch einmal sein Eigentum gewesen sein sollte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren!
»Warum hast du es fortgeworfen?!« Gloria schaute ihn mit festem Blick an. Sie gab sich nicht zufrieden mit dem, was er ihr bis jetzt erklärt hatte. Kirt atmete tief durch. »Das möchte ich dir nicht erzählen.« Gloria sah ihn finster an. »Warum nicht?« Er wirkte nachdenklich, fast schon missmutig. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Er sträubte sich regelrecht gegen sie. »Frag´ mich das bitte nicht, okay?« Gloria zog die Stirn in Falten. »Dann sag´ mir, was du noch alles weißt!« Kirt schaute sie traurig an. »Ich habe befürchtet, dass du alles wissen willst… Reicht dir nicht, was du schon weißt? Mit allem, was du mehr weißt, erfährst du auch mehr Schwierigkeiten.« Gloria erschrak innerlich bei seinen Worten. Genau das Gleiche hatte sie selbst zu Rommerz gesagt, als sie ihm drohen wollte. Und das mit gutem Grund! Es war das Spielchen, das das Buch ihr schon mit dem ersten Gedicht ankündigte: ‹Willst du´s riskieren, so lies – so wird dir gegeben…›
Gloria blickte Kirt in die Augen. »Wer – bist – du?« Sein Gesichtsausdruck wirkte ernst. »Das zielt auf das gleiche ab, was ich dir eben schon nicht sagen wollte. Für dich bin ich einfach Kirt, okay?« Gloria war das alles eine Nummer zu suspekt. Sie schaute in sein sorgenvolles Gesicht und drückte ihn sachte von sich. Kirt nickte: »Ich wusste, dass du mir nicht mehr trauen würdest. Du hast mir ja vorher schon nicht getraut!« Gloria sah ihn ernst an. »Nur, weil du dich so distanzierst!« Gloria fuhr ironisch fort: »Und du nach Amsterdam willst!« Kirt lachte und Gloria funkelte ihn böse an: »Lach´ mich nicht aus!« Kirt lachte weiter: »Was glaubst du wohl, warum ich dich allein lassen wollte?!« Irritiert sah Gloria ihn an, aber sie sagte nichts und wartete auf eine Antwort. »Wenn ich bei dir geblieben wäre, hätte ich dir sowieso irgendwann von dem Buch erzählt…«
Er wartete kurz ab und Gloria durchschlich das Gefühl, als würde er es bereuen, überhaupt auch nur ein einziges Wort über die Angelegenheit verloren zu haben. »Und warum hast du es mir erzählt?« Die Luft zwischen ihnen wirkte zum Spalten. Er antwortete nicht. Eine gefühlte Ewigkeit schwiegen sie, bis Kirt den Faden wieder aufnahm: »Weil ich ehrlich sein wollte.« Ohne ein weiteres Wort schritt Kirt an ihr vorüber.
»Hey!« Gloria sah ihn mindestens genauso zornig an und griff nach seiner Hand. »Ich muss erst mal über das ganze nachdenken, okay?« Von seiner Aura und Anmut hatte er nichts verloren. Immer noch kam sie sich ihm gegenüber klein vor und seine Rätselhaftigkeit sorgte für einen flauen Beigeschmack. Immerhin offenbarte das Buch ihr das schlimmste Schicksal, das man sich nur denken konnte. Und dennoch… Kirt war ihr plötzlich vertrauter als zuvor! Gloria strich ihm kurz über seine Hand, ließ los und ging um die Ecke des Gebäudes.
Sie schaute zu Kitty und Sebastian. Die beiden hatten von nichts eine Ahnung und Gloria dachte an Kirts gestrige Aussage am Feuer: Manchmal hatte er keinen Bock, sich an belanglosem Zeug zu beteiligen… Na klar, er dachte wahrscheinlich über ganz andere Dinge nach! Genauso, wie auch Gloria es so oft tat. Doch der Unterschied zwischen ihnen lag darin, dass er über Tatsachen Bescheid wusste, die Gloria nicht kannte…!
Während des gesamten Nachmittags suchte Gloria eher Kittys Gesellschaft, was diese stutzig machte.
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