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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
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oder optimistisch. Alles, was jedoch einen Charakter erst noch prägte, wie zum Beispiel Erziehung, verschwand mit dem Tod.
    Kirt fuhr auf der Autobahn extra wegen ihr nicht so schnell. Aber schnell war sehr subjektiv. Gloria beschloss irgendwann, sich gar nicht mehr darum zu kümmern. Sie schmiegte sich noch fester an Kirt und hing ihren Gedanken weiter nach. Manche Menschen besaßen von Natur aus einen gütigen Charakter. Andere waren schon von Geburt an irgendwie griesgrämig. Wenn Gloria an ihre Kindheit dachte, war sie damals kein anderer Mensch gewesen als heute. Was also war mit ihrem Charakter unwiderruflich verbunden und nicht anerzogen oder durch ein Erlebnis geprägt? – Vielleicht ihre Ehrlichkeit und ihr Streben nach Harmonie?
    Gloria fragte sich, ob Sternzeichen auch eine Rolle spielten. Das musste sie Kirt unbedingt fragen, wenn sie die nächste Pause machten! Wie auch immer… Wenn sie selbst starb, würde jener Teil ihres Charakters von einem Todesengel zu neuem Leben geformt und mit dem Erbgut eines Pärchens gemischt werden, das von ihrem Glück noch nichts wusste; oder Pech – wie man es eben sah! Das zumindest erklärte, warum man als Elternteil nur zu einem bestimmten Grad Einfluss mit die Erziehung hatte. Denn jeder Mensch war eben anders und man wusste nie, was einen erwartete, wenn man einen Sprössling zur Welt brachte.
    Das immer wieder neu vermischte Erbgut machte jedes Wesen einzigartig. Genial erschien, dass diese Grotte des Lebens quasi den Checkpoint bildete: Es war egal, ob der Charakter zum Wassermenschen, zur Seelenwelt oder zu den Luftwesen geschickt wurde. Eigentlich schien es eine ganz witzige Angelegenheit zu sein. Was Gloria besonders positiv stimmte, waren die Blutengel. Sie hatten mit Sicherheit keinen einfachen Job, wenn sie für jedes Leben nur eine Handvoll Momente besaßen…
    Gloria erinnerte sich an einen Augenblick, den sie nie vergessen würde: Sie hatte damals ihre erste Fünf in Mathe bekommen. Glorias Eltern machten ihr zum Glück Mut, anstatt sie obendrein zu attackieren. Sie war damals auch in der Theatergruppe ihrer Schule gewesen. Am gleichen Abend fand Glorias allererster Auftritt statt. Und als hätte das Unglück den Tag für sich gepachtet, lief alles schief.
    In der Pause des Theaterstücks sperrte Gloria sich in einer Toilettenkabine ein und wäre am liebsten nicht mehr herausgekommen. Aber dann überkam sie das Gefühl, dass es nur von ihr selbst abhing, ob sie gut oder schlecht spielte. Gloria hatte lang genug geprobt, um textsicher zu sein. Sie war erst elf oder zwölf Jahre alt, aber es bildete einer ihrer wichtigsten Momente. Denn in dieser Toilettenkabine beschloss Gloria für sich selbst, dass sie in Mathe ruhig eine Fünf haben konnte, wenn sie wenigstens im Theaterkurs gut abschnitt. Sie war nach der Pause rausgegangen und verspürte keine Angst mehr, zu versagen. Seitdem hatte sie sich auf einer Bühne immer wohlgefühlt! Dieses Erlebnis erzählte sie niemandem und Gloria fragte sich insgeheim, ob es einer jener Momente war, in denen ihr ein Blutengel beistand… mit Sicherheit!
    Kirt wurde langsamer und steuerte die Ausfahrt zu einem Wald- und Wiesenparkplatz an. Während der Pause begann Gloria, ihn erneut zu löchern: »Kirt?« »Mmh?« »Wenn ein Mensch geboren wird… Dann erhält er sozusagen einen wiedergeborenen Charakter, richtig?« Kirt nickte und sah sie amüsiert an, was Gloria stutzig machte. »Warum grinst du so?« »Was willst du jetzt schon wieder wissen?« Er lachte und wartete ab. »Ich hab´ mich nur gefragt, was bei mir dann übrig bleibt.«
    Er schmunzelte. »Mmh… weiß nicht. Ich könnte jetzt gemein sein…« Sein Grinsen wurde noch breiter. »Ach ja?« Gloria ahnte schon, dass er sich lustig machen würde. »Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger!« Er lachte und zog seinen Helm wieder auf, aber Gloria drückte seine Hand beiseite, die gerade die Zündung bedienen wollte. »Spielen Sternzeichen dann auch eine Rolle?« Zu gern hätte sie sein Gesicht gesehen, aber er trug ja bereits den Helm, den Kirt nun wieder abnahm. »Sternzeichen?« Gloria lächelte ihn verlegen an.
    »Glaubst du an so einen Kram?« Selbstbewusst schaute sie ihn an. »Warum nicht? Vielleicht nicht an Horoskope, aber an Sternzeichen schon!« »Was bist du denn?« »Waage.« Gloria lächelte. »Verrätst du mir deins?« Er sah sie miesepetrig an. »Ein andermal, okay?« Was sollte das denn?! Dafür, dass er nicht daran glaubte, machte er ja

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