Zerteufelter Vers (German Edition)
war. Sie schaute nervös drein und wartete ab, bis Kirt fertiggesprochen hatte. Gloria wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, als ihr Vater sie skeptisch betrachtete. Kirt bemerkte die Spannung zwischen ihnen ebenfalls und stand plötzlich auf. »Wo ist denn das Bad?« Gloria überlegte kurz, ob das Bad überhaupt vorzeigbar war, wenn allein die Küche schon aussah, wie ein imaginäres Auffangbecken für Kleinstlebewesen! Herr Truhst wies ihm den Weg zum Gäste-WC und Kirt ließ sie allein. Eine Stille trat zwischen sie… und Gloria schaute unsicher zu Boden, bis ihr Vater endlich das Wort ergriff:
»Hast du vor, wieder einzuziehen oder ist dies nur ein kurzer Besuch?« Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören. Er wirkte gekränkt, mit Sicherheit sogar bitter enttäuscht. Gloria schaute ihm fest in die Augen und antwortete: »Verurteil´ mich bitte dafür, dass ich mich nicht jeden Tag wie versprochen gemeldet habe… Aber nicht dafür , dass ich selbst einen Weg finden wollte, um mit allem klarzukommen. Die Klinik war nicht meine Idee!« Glorias Vater schwieg und in seinen verbitterten Gesichtsausdruck mischten sich feuchte Augen. Auch wenn er nicht direkt weinte – Gloria wusste, welchen Schaden sie angerichtet hatte; ahnte, wie sehr er gelitten und was er durchgemacht haben musste. Es war seine Verzweiflung, die als erstes die Maske schmelzen ließ. Und die zitternden Hände fuhren fahrig durch sein Gesicht.
Gloria stand auf, setzte sich auf den Stuhl neben ihren Vater und nahm ihn in die Arme. »Papa, ich hab´ dich lieb!« Er drückte sie erneut fest an sich. Früher war die Beziehung zwischen ihnen meistens sehr gut gewesen. Erst durch den Tod ihrer Mutter schien auch zwischen Vater und Tochter etwas zerbrochen zu sein, dessen Wunden sich nun bildlich auftaten. Gloria traten Tränen in die Augen. Es war nicht länger eine einfache Umarmung; vielmehr hielten sie sich gegenseitig fest und weinten. Es bedurfte keiner Worte; Gloria war wieder da und Herrn Truhsts Sorgen fielen plötzlich von ihm ab.
Kirt kam nicht wieder. Stattdessen hielten Gloria und ihr Vater sich lange fest und knüpften die ersten, aufrichtigen Bande, die es zwischen einer Tochter und einem Vater geben konnte. Dass er hoffnungslos mit dem Alltag und vor allem mit der Hausarbeit überfordert war, lag auf der Hand. Er erzählte zunächst von der Anfangszeit, in der Gloria fortgegangen war… Wie er es irgendwann nicht mehr aushielt und auf eigene Faust nach ihr suchte. Danach erzählte Gloria von ihren Erlebnissen in Düsseldorf. Ein paar Bereiche wurden nicht erwähnt… Am Ende jedoch schufen sie zumindest eine Grundlage, um über alles noch einmal in Ruhe später reden zu können.
»Wo steckt überhaupt dein neuer Freund?« Gloria lächelte. Sie war froh, dass er ihn offenbar akzeptierte. »Er will bestimmt nur taktvoll sein und bleibt deswegen weg.« Glorias Vater stand augenblicklich auf und ging ins Wohnzimmer, um nach Kirt zu suchen. Gloria tat es ihm nach. Allerdings war er nirgendwo zu sehen, bis Gloria ihn durch einen zufälligen Blick aus dem Küchenfenster bei seinem Motorrad fand. Er hatte sich mit einem Lappen und etwas Wasser bewaffnet, um in Seelenruhe seine Maschine zu putzen. »Das ist ja ein irres Teil!« Die Begeisterung, die in der Stimme ihres Vaters mitschwang, war nicht zu überhören.
Auf der Stelle ging Herr Truhst nach draußen und sprach Kirt auf sein Motorrad an. Nachdem der Abend zäh, aber trotzdem erfolgreich verlief, zogen sich Gloria und Kirt in Glorias Zimmer zurück. Das Bett, das ihnen hier zur Verfügung stand, war nicht so groß wie seins in Düsseldorf. Dafür besaß sie immerhin mehr Möbel als er in seiner gesamten Wohnung! Draußen wurde es schon dunkel und Gloria wirkte erschöpft. – Nicht nur von der langen Fahrt mit dem Motorrad; die Beziehung zwischen Gloria und ihrem Vater hatte mehr auf Messers Schneide gestanden, als sie es zuvor ahnte. Umso erleichterter wirkte Gloria, dass sie noch willkommen und geliebt war.
Kirt nahm sie in seine Arme. Er gab ihr einen zärtlichen Kuss und der Tag neigte sich dem Ende. Ein Glück, dass sie gleich heute Mittag aufgebrochen waren. So musste Gloria sich nicht noch länger sorgen. Ihren Vater umgab innerhalb der letzten Monate stets die Ohnmacht, seine Tochter gänzlich zu verlieren. Dies schien mindestens genauso schlimm zu sein, wie Glorias Erlebnisse! – Nur, dass ihr Vater nach wie vor alleine war und sie Kirt fand, der ihr
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