Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
Vom Netzwerk:
hervor. Sie besaß kein gutes Gefühl dabei, einer neuen, unwiderruflichen Wahrheit ins Auge zu blicken. Andererseits spürte Gloria, dass es langsam Zeit wurde, wieder einmal zu lesen. Sie blätterte die letzte, bekannte Seite auf und fand einen neuen Text…
    Allein zu zweit
    Fröhlich sein, das Leben sehen,
Glück erkennen und verstehen,
Ehrlichkeit nur Früchte trägt,
wenn man sie gemeinsam sät.
     
    War das alles? Gloria blätterte zur Sicherheit noch einmal die nächste Seite um, aber die unleserlichen Zeichen darauf bewegten sich nicht und so las Gloria das einfache Gedicht ein zweites Mal, als sie Kirt von unten rufen hörte.
    ‹Ehrlichkeit nur Früchte trägt, wenn man sie gemeinsam sät…› Was sollte das bedeuten? Gloria dachte automatisch daran, dass Kirt ihr nie verriet, woher all sein Wissen stammte. Natürlich hatte sie ihm versprochen, nicht mehr danach zu fragen. Aber dieses Versprechen nahm ihr mittlerweile die Nähe zu ihm. Gloria fühlte sich wie festgewachsen und steckte mit beiden Beinen im Sumpf aus Familienglück und Abschiedsgruß. Jeder Tag, der verrann, war ein Tag weniger zu leben. Jede Stunde, die sie nicht mit Kirt verbrachte, war eine zu wenig und jede, die sie nicht ihrem Vater und ihren Freunden widmete, nagte an einer surrealen Schuld. Eine Schuld, die sie gar nicht schuldig war! Eine Schuld, die verflochten und verzerrt ihren Weg bis zum Hier und Jetzt begleitete. Aber nur, weil sie alles hinter sich gelassen hatte, hieß das nicht, dass Gloria etwas gutmachen musste.
    Alles begann mit dem Tod ihrer Mutter. Aber eigentlich war das Buch der Grund, weshalb sich ihr Leben so unwiderruflich veränderte. Andererseits lernte sie auf diese Weise Kirt kennen und lieben. Dies schien auch der Grund zu sein, viele Dinge mittlerweile aus neuen Sichtweisen betrachten zu können. Doch Gloria wurde zunehmend angespannter. Mit dem neuen Gedicht flammte eine innere Unruhe auf. Dies lag auch in Kirt begründet! Denn sie hatte immerhin keine Geheimnisse vor ihm, wohl aber er vor ihr und genau das war der Punkt, der an Gloria nagte. Erneut hörte sie, wie Kirt nach ihr rief. Schnell verstaute sie das Buch in der untersten Schublade und lief nach unten.
    Der Reihe nach saßen alle Verwandten an dem langen Tisch auf der Terrasse. Alles wirkte wie früher, nur dass die wichtigste Person fehlte; ihre Mutter! – Ein weiterer Grund für Glorias schlechte Laune. Ihre Tante sprach fortwährend über Migräne, während Opa Gerhard in monotonen Abständen die immer gleichen Geschichten erzählte. »Du hast ja deinem Vater ganz schön Sorgen bereitet.« Als Gloria realisierte, dass sie gemeint war, sprach ihre Tante schon weiter: »Es ist schon traurig, aber wir müssen alle mit dem Tod von Moni umgehen lernen.« Schlagartig kehrte eine peinliche Stille ein und Gloria schaute als einzige in die Runde, während alle anderen den Blick betreten gen Boden richteten. Ihre Tante hatte noch nie einen Funken Taktgefühl besessen!
    Kirt säuberte unterdessen den Grill. Gloria war sicher, dass er nur nach einer Möglichkeit suchte, sich nicht zu ihnen an den Tisch setzen zu müssen. »Irgendwann holt der Tod uns alle ein, das weißt du doch.« – Die Stimme ihres Onkels. »Ich frag´ mich, wie es Moni jetzt geht.« Glorias Vater hatte sich zu Wort gemeldet. Wenn jetzt selbst er noch damit anfing, hielten sie mit Sicherheit länger an dem Thema fest. »Vielleicht ist sie ja gerade bei uns. Manchmal habe ich das Gefühl, als würden die Toten uns beobachten.« Gloria sah vielsagend in Kirts Richtung. Doch kaum dass der Tod ihrer Mutter vom Tisch war, diskutierten sie schon wieder lauthals über das Thema Erbschaftssteuer, ehe der Evergreen Altersvorsorge den letzten Gesprächsfaden ablöste. Gloria beteiligte sich kaum an diesem Wortschwall. Außer Achselzucken und Nicken trug sie nichts bei und nach rund einer Stunde verspürte Gloria keinen sehnlicheren Wunsch, als das Schlachtfeld verbaler Stammtischparolen zu verlassen.
    Kirt ging es dabei nicht anders. Im Gegensatz zu Gloria wurde er jedoch bei allem und jenem gebeten, Stellung zu nehmen. So musste er sich permanent etwas Sinnvolles einfallen lassen und konnte nicht – wie Gloria – einfach abschalten. Kirt ließ sich noch nicht einmal seine miese Laune anmerken, aber Gloria wusste Kirts Mimik langsam besser einzuschätzen – und die sprach in ihren Augen Bände! Sie war froh, als sich die Meute gegen halb eins endlich verabschiedete.
    Gloria begann, die

Weitere Kostenlose Bücher