Zerteufelter Vers (German Edition)
gelernt. – Und dazu auch noch ihn: Kirt.
Es war Gloria, die das Schweigen brach. Der Wind wehte ihr durch die Haare. Sie schaute zu ihm und wartete, bis auch er sie ansah. »Wollen wir die Zelte abbrechen?« Glorias Stimme klang zaghaft. Es war ihr lieb, zurückzukehren – an den Ort, an dem alles begann… »Wo willst du denn hin?« »Ich würde gern zurück.« »Nach Weimar?« Sie grinste. »Nein… nach Düsseldorf.« Kirt musste ebenfalls lächeln, als Gloria weitersprach: »Düsseldorf wird für mich immer die schönste Stadt bleiben!« Kirt nickte und strich ihr mit dem Daumen über die Wange. Sie schauten noch eine ganze Weile gemeinsam auf das stille Meer, ehe sie schließlich durch den feinen Sand stapfend den Strand verließen.
23 Blutgrätsche
Es war so vertraut geworden: Kirt vor ihr auf dem Motorrad – ihre Arme um seinen Körper geschlungen. Doch mit jedem Kilometer, den sie sich Deutschland näherten, kippte plötzlich Glorias Vertrauen in sich selbst. All die Erlebnisse in der Düsseldorfer Altstadt… Einen Zauber umgaben diese Erinnerungen. – Genauso wie das Buch. Immer wieder hatte Gloria hineingesehen, doch es schrieb nichts Neues.
Was wäre wohl passiert, hätte sie damals die Bücherei nie aufgesucht, um dort zu übernachten? Manchmal spielte das Leben nach seltsamen Regeln und hielt überraschende Schachzüge bereit. Es blieb nur die Frage, ob man diesen Schachzügen vertraute oder nicht. Kirt selbst hatte mal zu ihr gesagt, ein jeder sei sein eigener Herr. Nichts wurde durch eine fremde Hand vorbestimmt. – Nichts bis auf Leben und Tod.
Kirt und Gloria benötigten mehrere Tage, bis sie endlich in Düsseldorf ankamen. Fix und fertig betraten sie seine spartanisch eingerichtete Wohnung. Warum er sich nie wirklich eingerichtet hatte, verstand Gloria nicht. Aber sie verstand einiges nicht, von dem sie längst beschlossen hatte, nicht mehr nachzufragen. An der letzten Tankstelle war Kirt ein Plakat aufgefallen: Vier Bands – davon eine alte Düsseldorfer Punkband – traten heute noch im Zakk auf. Das Zakk war eine Location, die Gloria bislang nicht kennen gelernt hatte. Müde machte sie es sich auf Kirts Bett bequem. Es brauchte schon einiges an Überredungskunst, bis Kirt sie soweit hatte, mit ihm mitzukommen.
Sie taxierte ihn herausfordernd: »Tausche Zakk gegen Sex!« Gloria funkelte Kirt angriffslustig an und lachte. Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht. Viel Zeit besaßen sie nicht, wenn sie noch halbwegs pünktlich zur ersten Band kommen wollten, aber Glorias Angebot wirkte verführerisch! Natürlich brauchten sie viel zu lang. Aber Kirt raffte sich tatsächlich danach noch einmal auf und zerrte Gloria regelrecht aus dem Bett.
Die Hälfte hatten sie schon verpasst: Zwei von vier Bands waren bereits aufgetreten und Gloria fühlte sich an ihr letztes Konzert erinnert: Danach wurde sie allerdings von drei reizenden Herrschaften ausgeraubt! Wie sich später herausstellte, alles nur, weil sie im Besitz des Buches war und Kirt ihren nicht vorhandenen Herzenswunsch erlesen wollte. Dadurch, dass sie jedoch keinen besaß, wurde sie für ihn überhaupt erst interessant, womit die Geschichte ihren Lauf nahm…
An der Bar herrschte ein regelrechter Theken-Nahkampf. Bei diesem Andrang war es besser, Gloria brachte Kirt gleich zwei Bier auf einmal mit! Eine halbe Ewigkeit verging… bis sie endlich die gefüllten Plastikbecher erhielt und zu Kirt schlenderte. »Wo warst´n du so lange?« Kirt zog sie aus der Menschentraube an die Seite. »Gleich zwei?« Er sah auf die beiden mit Bier gefüllten Becher. »Das dauert Ewigkeiten, bis man dran ist.« Kirt nickte ihr zu und schaute wieder zur Band. Weil es ihm zu blöd war, mit zwei Bechern in der Händen herumzustehen, exte er das erste weg und stellte den vollen Plastikbecher in den leeren. Gloria nahm er vor sich in die Arme.
Je länger Kirt der Band zusah, desto trauriger wurde er. Jeder Tag, der verging, war einer zu viel. Seine Hand strich über Glorias. Eigentlich hatte Kirt sich auf den Abend gefreut. Doch jetzt wirkte er frustriert, während Gloria das Leben nahm, wie es kam – und sie genoss es dabei sogar noch auf eine beneidenswerte Weise. Kirt sah schlecht gelaunt zu dem Gitarristen. Er trank sein zweites Bier frustriert aus und ging zur Bar. Glorias Idee fand er gut: Er bestellte zwei Bier und trank das erste erneut in kurzen Zügen leer. Gloria entging Kirts schlechte Laune nicht. Allerdings kannte sie ja den
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