Zerteufelter Vers (German Edition)
weiß schon wo…? »Haben Sie ein Navi?« Gloria versuchte sich das Gesicht des Mannes an der anderen Seite vorzustellen, als seine Stimme ihre Frage bejahte. Erneut verging eine kurze Pause. Die Stille am Telefon passte zur Stille und Kälte dieses Ortes. Gloria sah sich nochmals nach einem entsprechenden Straßenschild um und fand endlich eins: »Röhnensfelder Straße… Da treffen wir uns.« Wieder wurde es still. Gloria wartete auf eine Antwort… »In welchem Stadtteil ist das?« »Sie haben doch gesagt, Sie hätten ein Navi!« Gloria wusste selbst nicht, wo sie war. – Als hätte sie sonst keine Sorgen!
Es dauerte fast eine dreiviertel Stunde bis Scheinwerfer die dunkle Straße durchfluteten, in der Gloria ausgeharrt hatte. Das Herz schlug ihr von jetzt auf gleich bis zum Hals, doch sie war lange über den Punkt hinweg, Angst zu haben. Sie besaß ganz andere Panik! Genau jener Moment schien es zu sein, in dem Gloria glaubte, zum allerersten Mal Kirt wirklich verstehen zu können, wenn er gesagt hatte, die Menschen hätten so nichtige Probleme! So war es – jedes Problem wog schwer… Aber es gab immer Sorgen, die noch schlimmer sein konnten. Wüsste Gloria nicht, dass ihr Leben ohnehin heute endete, hätte sie sich diesen Gedanken zum neuen Lebensmotto genommen. Aber so…?
Sie spürte regelrecht ihren Herzschlag, als sich die Scheinwerfer näherten und der Wagen langsamer wurde: Es war ein silberner, moderner Passat – ein Schiff. Das Fenster auf der Fahrerseite schob sich elektrisch nach unten und Gloria erkannte ihn wieder: Den Mann, der vor nicht einmal zehn Stunden den Fuß in ihre Tür gestellt hatte! Glorias Mimik wirkte kalt und undurchsichtig. Auf eine gewisse Weise dachte sie daran, dem damaligen Kirt immer ähnlicher zu werden.
Gloria wartete kurz ab, drehte sich schließlich und ging auf die andere Seite des Wagens, um einzusteigen. Das Türenschlagen donnerte durch die stille Nacht… als Gloria sich setzte, ihren Kopf zu dem Mann drehte und ihm in die Augen schaute. Ihr Blick wirkte so undurchdringlich wie sie es früher an Kirt gehasst hatte. Nichts, aber auch gar nichts konnte man ihr wahrscheinlich ansehen – noch nicht einmal, wie es ihr ging. – Alles verschlossen und vergraben tief in ihr drin. Es war eine seltsame Situation. Der Mann sah sie skeptisch an und wartete ab. Alles wirkte ruhig und Gloria fragte sich, ob sie vielleicht noch ein letztes Mal in ihrem Leben in den Geist eines anderen Menschen – in den seinen – eindringen konnte… Doch es geschah nichts.
»Soll ich irgendwo hinfahren oder reden wir hier?« Die Stimme des Mannes klang freundlich. »Nein… das müssen Sie nicht.« Gloria sah ihn an und machte eine kurze Pause. »Fragen Sie mich, was Sie wissen wollen, aber dafür lassen Sie mich heute noch zu ihm! Und zwar so schnell wie möglich!« Der Polizist sah Gloria wortlos an, drehte den Schlüssel herum und der Motor verstarb. Er schnallte sich ab, beugte sich in ihre Richtung und dachte nach. Gloria ahnte schon, wie wichtig es sein würde, sich genau zu konzentrieren.
Dieser Mann war bestens trainiert, ein stichfestes Verhör durchzuführen; das lag auf der Hand und ehe Gloria den Gedanken darüber zu Ende geführt hatte, ergriff er bereits das Wort: »Wer hat Jansen umgebracht?« Gloria schaute dem Polizisten kühl in die Augen und antwortete augenblicklich: »Niemand. Er hat sich selbst das Leben genommen.« » Warum wollte Jansen sich umbringen?« Gloria hielt inne. Sie musterte den Blick des Mannes und dachte kurz nach. »Ich weiß es nicht. Keiner von uns kannte Jansen.« »Wie kommen Sie dann dazu, vor Gericht zu behaupten, Herr Staan hätte Jansens Tod zu verschulden?«
Gloria sah dem Mann eindringlich in die Augen. »Ich glaube, dass Jansen hohe Schulden hatte und Staan damit in Verbindung steht.« Dass er Schulden besaß, wusste sie sogar ganz genau; Gloria hatte es in seinem Geist gesehen, nur konnte sie das hier schlecht sagen. »Schulden…? Wie wollen Sie das wissen?« »Er hat es gesagt, als wir ihn das erste Mal gerettet haben.« Interessiert taxierte der Polizist Glorias Augen. »Wann war das?« Gloria schaute den Mann ernst an, ehe sie zu erzählen begann…
»Am gleichen Tag. Kirt und ich wollten einfach nur eine Runde Motorrad fahren. Wir sind an einem Waldrand bei einem Schotterparkplatz gewesen, als uns ein Auto auffiel, bei dem der Motor lief. Es war aber niemand zu sehen. Als wir näher kamen, haben wir bemerkt, dass ein Schlauch am
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