Zerteufelter Vers (German Edition)
obwohl es fraglich ist, ob Sie überhaupt am Tatort waren. Meinen Sie nicht, Ihr Vertrauen könnte etwas zu blind sein?!« Wut stieg in Gloria auf. Dieser Kerl ging langsam einen Schritt zu weit! » Sie haben nur Indizien. Und die beweisen gar nichts!« Glorias Stimme wurde lauter als zuvor. »Mädchen, denken Sie doch mal über den Tellerrand hinaus: Wenn Sie selbst am Tatort waren… Haben Sie Herrn Staan gesehen?« Gloria packte die Wut darüber immer heftiger, dass dieser Mann ihre Aussage schier missachtete: »Nein! Weil er sich ja wohl versteckt hat!« Das wusste Gloria mittlerweile nur zu genau. Wutentbrannt stierte sie ihn an.
»Falsch! Staan ist gut hörbar aus seinem Versteck getreten, um Jansen zu Hilfe zu eilen. Er hat telefoniert. Das hätten Sie sehen müssen, wenn Sie da gewesen wären!« Gloria fiel alles aus dem Gesicht. Sie war diesem Kerl nicht gewachsen. Nicht ihm, nicht Magnus…! Zornig sah sie dem Mann in die Augen und hielt inne. Unendlich lange Sekunden reihten sich stumm aneinander, als ihre Hände plötzlich zum Tür glitten, um diese aufzureißen, doch sie ließ sich nicht öffnen. Wutentbrannt schmetterte Gloria ihm einen bösen Blick entgegen.
»Lassen Sie mich raus!« Stille. Erst reagierte er gar nicht, dann formte sich ein schmales Lächeln auf seine Lippen. Seine Stimme klang sarkastisch: »Ich dachte, Sie wollen Ihren Freund treffen?« Gloria hielt inne und wartete ab. Sie hasste es, ausgelotet zu werden, doch genau das passierte gerade. Ein langes Schweigen legte sich zwischen sie, als der Polizist plötzlich den Schlüssel umdrehte und den Rückwärtsgang einlegte, um zu drehen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit… Sie fuhren quer durch die ganze Stadt bis sie endlich am Gefängnis ankamen. Doch entgegen Glorias banger Hoffnung, brachte der Mann sie in einen kargen Raum – sie kannte diese Art mittlerweile zur Genüge: Eisig, ein Tisch, zwei Stühle. Was sollte das?!
Was sich jetzt anbahnte, war eine endlos lange Fragekette, gespickt von Hinterhalten, Doppeldeutigkeiten… Fragen, die nicht immer klar mit ja oder nein beantwortet werden konnten und Behauptungen, die der Polizist provokant in den Raum stellte. Nicht immer wusste Gloria darauf zu reagieren und je länger das Verhör dauerte, desto schwieriger wurde es, den Überblick zu behalten. Die Zeitsprünge, die der Mann in seine Fragen einbaute, trieben den Wirrwarr in ihrem Kopf auf die Spitze. Gloria war sich in einem jedenfalls sicher: Die Lücken in ihren Darstellungen wurden immer größer, immer schwieriger, immer konfuser. Sie redete sich um Kopf und Kragen – genauso, wie sie es hatte vermeiden wollen. Gegen diesen Menschen kam sie nicht an. So sah der 14. Dezember also aus – der letzte Tag in ihrem Leben. Doch wie sollte sie hier überhaupt sterben?
Nichts konnte in jenem Raum geschehen. Ein ironisches Lächeln trat bei diesem Gedanken auf Glorias Lippen, aber beim Anblick des Polizisten verstarb es augenblicklich. Er blieb auf seine Art sogar freundlich; aber bestimmend und beharrlich war er mindestens genauso.
»Was hat Jansen genau gesagt, als er seine Schulden erwähnte?« Gloria wirkte müde und dachte gequält nach. »Dass er welche hat, mehr nicht.« »Was haben Sie zu ihm gesagt, als Ihr Freund ihn aus dem Wagen geholt hat?« Gloria ließ die Schultern hängen. »Keine Ahnung… Weiß ich nicht mehr. Warum er sich umbringen wollte, glaub´ ich.« »Und dann hat er wie geantwortet?« Gloria fuhr sich abgespannt durch die Haare und ließ verärgert den Arm auf den Tisch fallen. »Ich weiß es nicht mehr, verdammt. Keine Ahnung!« Der Mann fragte weiter; immer, immer weiter – seit fast schon zwei Stunden:
»Wann haben Sie selbst Jansen das letzte Mal gesehen?« Gloria starrte auf ihre Fingernägel und versuchte sich zu konzentrieren. »Abends.« »Wann genau?« Gloria wäre am liebsten ausgerastet, aber das hätte sie nie gewagt. Die Präsenz, die dieser Mann dominant vor ihr aufbaute, trieb sie in die Enge. Er besaß keinen Sinn für Spielchen oder bemitleidende Gefühlsromantik. »Abends halt.« »War es dunkel oder noch hell?« Der Polizist grinste und lief ganz langsam um Gloria herum, die auf ihrem Stuhl vor dem Tisch saß. »Gab es Zeugen, die Jansen vor seinem Tod gesehen haben? War er auffällig? Nervös?«
Der Mann ging an ihrer Seite vorbei, stützte seine Arme auf dem Tisch ab und forcierte Glorias müden Blick. »Gab es Leute, die Sie und Ihren Freund noch gemeinsam gesehen haben?«
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