Zerteufelter Vers (German Edition)
mitten auf der Straße. Die Dunkelheit fraß alles rings um sie herum auf und die müden Schatten, die hinter der Straßenlaterne über den Asphalt ragten, schienen wortlos die Bitternis in ihr Hirn zu hämmern, die ihre eigene Todesanzeige prophezeite! Panisch atmete Gloria ein und aus. Sie hätte schreien wollen, doch es würde nichts helfen. Nichts half noch – nichts!
‹Was du weißt, kannst du nicht vergessen, noch kannst du deine Kräfte mit den meinen messen!› Wie hatte sie in den letzten Tagen diesem Teufelsbuch nur vertrauen können!? Gloria hielt sich stumm die Hände vor den Mund. Sie fuhr sich durch die Haare, erstarrt von dem finsteren Wissen, das ihr zuteil wurde. Das ging zu weit, das war das Schlimmste!
Gloria schritt langsam über den dunklen Asphalt und starrte angewidert auf das offene Buch. Die Seiten wehten im Wind. Da lag es – ganz ruhig, als sei nichts gewesen. Unschuldig und rein, dabei wirkte es so schwarz wie die Nacht und dieses Buch war sich durchaus bewusst, welche Hölle es für Gloria auftat! Gloria starrte auf den schwarzen Rahmen und das Palmenblatt. Sie kannte dieses Symbol aus Todesanzeigen; manchmal zierte es auch Grabsteine. Bitter schüttelte sie den Kopf. – Ob solch ein Symbol auch einmal ihren Grabstein schmückte, wollte sie gar nicht wissen! Sie wollte so manches nicht wissen, doch niemals könnte sie vergessen, was sie hier sah; schwarz auf weiß.
Und das Bitterste schien, dass sie eines genau wusste: Dieses Buch log nicht. Es behielt Recht – hart und konsequent! Ein Teufelsbuch mit teuflischen Versen; ein Monster, das wusste, wie sie fühlte und das Gloria innerlich zerriss! Was geschah mit ihr? Wer war sie? – Ein Mensch, der mehr über Leben und Tod wusste, als jeder andere vor ihr. Gloria hielt inne. Welches Geheimnis verbarg sich hinter diesem Buch? Wer schrieb es und wie funktionierte es? Glorias Augen waren vehement auf die schreckliche Nachricht gerichtet. Hätte sie nur ein Gesicht zu diesen mörderischen Zeilen gehabt – sie würde ihm hineinspucken! Zorn und atemlose Panik zerrissen Gloria das Herz.
Ihr war weder kalt, noch warm. Alles fühlte sich taub an; vor allem in ihr drin. Wie lange sie so da stand, wusste sie nicht. Aber irgendwann ließ sie sich nach vorn auf die Knie fallen und bittere Tränen traten in ihre Augen. Sie weinte stumm in sich hinein. Die Tränen tropften auf die Buchseiten, doch ehe das Papier an diesen Stellen aufweichen konnte, waren sie schon wie von Geisterhand versiegt. Nichts hatte mehr einen Sinn. Nichts war jetzt noch lebenswert. Und nichts konnte Gloria nunmehr helfen. Stattdessen war sie allein. – Allein mit dem Buch, das vor ihr auf der dunklen Straße lag. Sie hätte es fortwerfen sollen, als sie das erste Mal darüber nachdachte, aber dafür war es nun zu spät!
Mit keinem Menschen auf dieser Welt durfte sie ihr Geheimnis teilen; mit nichts und niemandem konnte sie über ihre furchtbare Vorahnung reden. Schlimmer: Es war keine Vorahnung – es kennzeichnete die bittere Realität, die auf sie wartete. Gloria musste sie aufsaugen wie ein Schwamm, musste die Traurigkeit für sich behalten und durfte sich niemandem öffnen. Niemand würde ihr glauben, sondern sie vielmehr in eine Irrenanstalt einweisen lassen. Welch starres Urteil diese – ihre eigene – Todesanzeige jedoch darstellte, war nahezu vernichtend!
Gloria konnte vor lauter Tränen nichts mehr sehen. Es war wortwörtlich vernichtend! Sie weinte bitterlich und blieb mitten auf der einsamen Straße zusammengekauert liegen. Hoffentlich würde ein Auto sie aus Versehen überfahren. Dann musste sie nicht mehr mit diesem Wissen um ihr eigenes Ende leben. Doch es würde kein Auto kommen! Nichts war so offensichtlich. Gloria weinte; verbittert, verzweifelt und zerrissen. Es hämmerte in ihrem Kopf. Warum war die Welt so gegen sie? Warum sollte sie wissen, was sie nicht wissen wollte?! Hätte sie vorher geahnt, was jenes Gedicht wirklich meinte, hätte sie dieses Ding kein zweites Mal angefasst. Doch dafür war es zu spät und Gloria pochte die Erinnerung des Gedichtes im Kopf, das sie vor die alles umfassende Entscheidung gestellt hatte…
Wahrheit ist Leben, Leben ist Glück,
des Menschen Bestreben,
voll Kummer bestückt.
Gepaart mit der Zukunft und der Frage danach,
entgegen Vernunft
eine Stimme leis´ sprach.
Ins Herz man sich stieß, wo doch so schön sein kann das Leben.
Willst Du´s riskieren so lies,
so wird Dir gegeben.
Gloria hatte
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