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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
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es so oft gelesen. Derart oft hatte sie über den Sinn nachgedacht – jetzt wusste sie, welch unendliche Grausamkeit sich dahinter verbarg. Warum hatte sie sich das nur angetan?! ‹Ins Herz man sich stieß, wo doch so schön sein kann das Leben. Willst Du´s riskieren so lies, so wird Dir gegeben.› Immer wieder quollen verzweifelte Tränen aus ihren Augen. Sie hasste dieses Buch. Aber es schien das einzige zu sein, was ihr jetzt noch helfen konnte. Sie war diesen Weg zu weit gegangen… Um es nun fortzuwerfen, schien es zu spät! Einzig und allein das Buch selbst konnte ihr zu ihrem Leid etwas sagen. Aber Gloria wollte nicht mehr hineinsehen. Zu tief hatte sich schon das Bild ihrer eigenen Todesanzeige in den Kopf gebohrt!
    Die Gedanken hörten nicht auf zu kreisen; Fassungslosigkeit. Welche Bedeutung hatte Zeit, wenn man exakt wusste, wann es Zeit war!? Gloria verlor sich zwischen den Bildern in ihrem Kopf, zwischen Zeit und Raum, Realität und Traum. Stundenlang lag sie regungslos da, halb wach und manchmal verschlafen… Wenn sie aufwachte, dann nur wegen dem immer gleichen Alptraum, der sie einholte, sobald sie die Augen schloss – den Bildern der sich windenden Schlangenlinien, die ihr die Wahrheit ihres eigenen Endes ins Gesicht spuckten. Immer und immer wieder drehten sich ihre Gedanken im Kreis, bis sie schließlich schweißgebadet und erschöpft einschlief.
     

11 Kopf oder Zahl
    Ein Hupen ließ Gloria das Adrenalin in die Adern schießen. Sie öffnete die Augen und gleißendes Scheinwerferlicht blendete sie. Der Himmel zeigte sich dunkelblau gefärbt und vor ihr hatte ein Wagen angehalten. Gloria richtete sich auf. Sie sah einen Mann energisch aussteigen und auf sie zukommen. »Sind Sie verletzt?« Gloria blickte ihn verstört an. Ihre Augen suchten nach dem Buch, das irgendwo hier liegen musste. Die Arme des Mannes hakten sich ihr unter, um ihr aufzuhelfen, als Gloria das Buch bei ihren Füßen liegen sah. »Mir geht es gut.« Sie stellte sich auf und drückte die Arme des Mannes beiseite.
    »Um Gottes Willen – warum liegst du denn mitten auf der Straße?« Gloria wusste keine Antwort und bückte sich schnell, um das Buch aufzuheben. Ihr Rucksack? – Wo war der? Der Mann wurde langsam sauer, weil Gloria ihn kaum beachtete. »Was hast du denn, Mensch?!« Gloria entdeckte ihren Rucksack an dem Laternenpfahl auf der anderen Seite der Straße und holte ihn schnell, um das Buch darin zu verstauen. Der Typ schimpfte über sie und stieg wütend in sein Auto. Denn wenn eines offensichtlich schien, dann dass Gloria weder verletzt war noch Hilfe benötigte.
    Während der Motor aufheulte und der Mann losfuhr, suchte sie das Weite und ging einen schmalen Weg hinunter zum Rhein. Dort setzte Gloria sich entnervt auf einen Stein am Ufer und ließ Revue passieren, was in den letzten Stunden passiert war. Sie fühlte sich wie ausgekotzt. Alles bislang Wichtige schien auf einmal so weit weg! Nichts war mehr wie vorher und niemand würde verstehen, was Gloria meinte, wenn sie sagen würde, dass sie sich verabschieden müsse…
    Traurig traten erneut Tränen in ihre Augen. Wie konnte das Leben so grausam sein? Sie verstand nicht den Sinn, wollte ihn auch gar nicht mehr verstehen und fragte sich, was schlimmer war: Zu sterben oder zu wissen, dass man sterben wird? – So ein Quatsch! Jeder Mensch würde irgendwann den Löffel abgeben. Der springende Punkt schien nur, dass sie exakt wusste, wann es geschehen würde. Und dieses Wissen zerschnitt ihr qualvoll allen Mut, alle Hoffnung und jegliche Kraft. Was sollte man schon tun, wenn das Leben einem verriet, dass man nicht mehr hoffen brauchte? So musste es sich anfühlen, wenn man erklärt bekam, dass man unheilbar krank war. Von jetzt auf gleich änderte sich alles! – Obwohl sich im Prinzip gar nichts verändert hatte!
    Welche Macht besaßen bloß die eigenen Gedanken, wenn sie einem erstickend die Luft abdrückten? Welche Macht hatten die eigenen Gedanken, wenn sie zum selbsternannten Feind wurden?! Zermürbt wiegte Gloria sich nach vorn und zurück. Die Frage nach dem Warum fühlte sich an, als würde sie selbst schon gestorben sein und als zweites Ich trauern. Gedankenphrasen stürzten durch ihren Kopf. Wieder und wieder formten sich die gleichen Bilder und Gloria wusste nicht, wohin mit ihrer Qual. Angewidert schlug sie das Buch auf. Da war sie – ihre eigene Todesanzeige – ihr Todesdatum, der 14. Dezember dieses Jahres!
    Wut stieg in ihr auf. Dieses Buch…

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