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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
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Vorher davon zu wissen – das wollte sie ihm nicht auch noch antun! »Ich meine, nur so – rein hypothetisch.« »Du meinst, wenn man krank ist und es sicher wäre, dass man nicht mehr viel Zeit hat?« »Ja.« »Warum fragst du mich ausgerechnet so was?« Gloria wartete kurz ab. »Ich habe viel nachgedacht, weißt du… über Mum und über den Tod.« Ihr Vater schwieg und ließ ihre Worte sacken. Er begann einen Satz, känzelte diesen jedoch und versuchte es von neuem. »Also, ich würde probieren, so viel Leben wie möglich in die verbleibende Zeit zu quetschen, wie es nur geht, denke ich… Vorausgesetzt, dass man das dann noch kann. Man hofft ja immer, dass einem mehr Zeit bleibt, als sie einem geben.« Gloria nickte. Es tat gut, mit ihm über dieses Thema zu reden – auch, wenn er gar nicht richtig wusste, um was es ging. »Das würdest du tun?« »Gloria, warum fragst du mich das um Gottes Willen? Ist alles okay mit dir?« »Mach´ dir bitte keine Sorgen. Es ist alles gut.« – Eine glatte Lüge. Soweit war es nun schon. Sie hatte ihre Eltern nie ernsthaft belogen; das gehörte nahezu zu Glorias Prinzipien!
    »Wo bist du denn gerade?« »Am Rhein.« »Und wo da?« »Papa, ich brauch´ noch ein bisschen Zeit für mich.« »Himmel sakra!« Sein Tonfall allein sagte Gloria, dass er innerlich schäumte vor Zorn. Dabei meinte er es eigentlich nur gut mit ihr. Wahrscheinlich war er schon ein nervliches Wrack; genauso wie sie – nur auf eine andere Weise. »Papa…« »Nein, du hörst mir jetzt mal zu, mein Fräuleinchen! Du kommst auf der Stelle nach Hause! Entweder ich hole dich oder du steigst in einen Zug – aber du bleibst mir nicht länger auf der Straße!«
    Er war wütend und Gloria spürte die plötzliche Entfernung zwischen ihnen. Nicht nur die räumliche… Es würde schier unmöglich sein, ihm von ihren Erlebnissen zu erzählen. Er würde versuchen, sie zur Vernunft zu bringen. Zur Not probierte er wahrscheinlich sogar, das Buch zu zerstören. Vielleicht war das sogar die einzige, realistische Chance, aber Gloria glaubte nicht, dass die pure Existenz des Buches ausschlaggebend für das war, was sich auf der Welt zutrug.
    »Hast du mich verstanden?!« »Ja, habe ich.« Glorias Tränen waren verschwunden. Er wütete um seine zerbrochene, heile Welt und Gloria konnte ihn nur zu gut verstehen. Hätte er ein paar Stunden früher angerufen oder hätte sie einfach nicht mehr in das Buch gesehen, wäre Gloria schon längst auf dem Weg nach Weimar. Aber so? »Also bitte – dann sag´ jetzt, was dir lieber ist!« Gloria starrte auf den endlosen Teppich aus tiefem Wasser, der an ihr vorbeifloss. »Gloria?!« Sie hörte seine Stimme und wurde wieder traurig; gefangen in ihrem eigenen Wissen. Gloria hatte sich selbst zum Feind, solange ihre eigenen Gedanken sie zerfetzten. – Solange sie nicht akzeptierte, dass das Leben nach seinen eigenen Regeln spielte. Sie war machtlos! Gloria konnte ‹nichts tun gegen das Weltensterben!› So hatte es ihr das Buch geschrieben. Und dies schien endgültig zu sein!
    Mehr denn je rückte diese Wahrheit in den Vordergrund, als sie mit einer plötzlichen Wucht an das letzte Gedicht denken musste. Wie hatte es geheißen? ‹Erlangt seine Wahrheit, seinen Sinn.› Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter, als sie realisierte, dass das letzte Gedicht, das Gloria auf dem Campingplatz gelesen hatte, schon eine ganz andere Bedeutung innehatte, als sie zu diesem Zeitpunkt erahnen konnte! Die Stimme ihres Vaters riss sie aus ihren Gedanken: »Gloria, jetzt sag´ mir um Himmels Willen endlich, wo du steckst!« Er war sauer – richtig sauer. Aber er hätte auch noch so lieb sein können – es war egal, sie besaßen keine Chance mehr, ein friedliches Vater-Tochter-Leben zu führen. Er würde sie überleben, so grausam das auch klang. Aber es wäre falsch, ihm davon zu erzählen, denn in seinen Augen sah es am Ende vielleicht sogar nach Selbstmord aus.
    »Papa, du musst mir jetzt mal kurz zuhören! Ich werde dich immer, immer lieb haben! Genauso wie Mum.« Gloria machte eine Pause. Normalerweise hätte sie ihrem Vater solche schmalzigen Reden nicht vorgelegt, aber vielleicht war das auch nur eine Schattierung, die von ihrem Wissen abfärbte: Dass man sagte, was einem wichtig erschien – bevor es zu spät war! »Mach´ dir bitte keine Sorgen. Mir geht es gut!« Ohne auch nur ein einziges Wort abzuwarten, drückte sie auf den roten Knopf ihres Handys und legte auf. Gloria fühlte sich mies

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