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Zeugin am Abgrund

Zeugin am Abgrund

Titel: Zeugin am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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zog sie Sam das Hemd aus der Hose und schob es hinauf bis zu seinen Schultern. Sie verspürte den Drang, sich zu übergeben, als sie unmittelbar über seinem Schulterblatt ein hässliches Einschussloch entdeckte, aus dem das Blut lief.
    Sie faltete die Unterhose zu einem dicken Polster zusammen und presste sie fest auf die Wunde. Nachdem sie es geschafft hatte, um Sams schlaffen Körper zu greifen, benutzte sie die Beine des Kleidungsstücks, um den behelfsmäßigen Verband festzubinden.
    Als sie das geschafft hatte, lehnte sie sich zurück und betrachtete mit einem erschöpften Seufzer ihre Arbeit. Es war ganz sicher nicht der beste Verband, den sie je gesehen hatte, doch er schien die Blutung wenigstens gestoppt zu haben. Sam brauchte auch ein frisches Hemd, aber dafür hatte sie keine Zeit.
    Lauren zog das blutige Hemd nach unten, dann steckte sie seine Arme zurück in die Ärmel des Parkas und lehnte Sam schließlich wieder nach hinten.
    “Sam? Sam, kannst du mich hören?” Sie gab ihm eine kräftige Ohrfeige, dann eine zweite. “Wach auf, Sam. Du musst mir helfen, wenn ich dich von deinem Sitz schaffen soll. Ich kann dich nicht allein rüberziehen.”
    Sam blinzelte zweimal kurz, bevor er die Augen halb öffnete. Sie sah ihm an, wie anstrengend es für ihn war, bei Bewusstsein zu bleiben. “Kl…klar.”
    Sie legte ihm die Arme um die Taille und zog mit aller Kraft, während er sein Bestes gab, um nach rechts zu rutschen. Es war für Lauren ein unglaublicher Kraftakt, der ihm große Schmerzen bereitete, aber schließlich hatte sie ihn auf den Beifahrersitz gezogen.
    “Geht es dir gut?” fragte sie außer Atem.
    “Geht … so … fahr … los.”
    Lauren stieg aus, rannte um den Wagen und nahm auf der Fahrerseite Platz. Sie umklammerte das Lenkrad und warf Sam einen nervösen Blick zu. “Auf geht’s”, sagte sie, wählte einen Gang und trat auf das Gaspedal.
    Die Reifen drehten durch und hüllten den Wagen in eine Wolke aus verbranntem Gummi. Dann machte der Pick-up einen Satz nach vorn und beschleunigte überraschend schnell auf Höchstgeschwindigkeit.
    Lauren hatte ohnehin erst wenig Fahrerfahrung, aber im Vergleich zu ihrem Wagen wirkte der Pick-up monströs und war nicht annähernd so leicht zu handhaben. Sie hielt das Lenkrad so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten, und konzentrierte sich darauf, das Gefährt zwischen dem Graben auf der rechten Seite und der Mittellinie auf einer einigermaßen geraden Spur zu halten. Sam hatte den Matchbeutel im Rücken, damit er aufrecht sitzen konnte, während er krampfhaft versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben.
    Nach einigen Kilometern kreuzte die Straße einen breiteren Highway. “Bieg … rechts … ab”, keuchte Sam. “Und … fahr … langsamer…. Sonst … hält uns … die … Polizei an … weil … wir … zu schnell … waren.”
    Lauren befolgte seine Anweisungen, auch wenn es nicht einfach war. Ihr Instinkt riet ihr, das Gaspedal durchzutreten, um den Abstand zu ihren Verfolgern weiter zu vergrößern. Um diese Zeit waren nur wenige andere Wagen unterwegs, und als Lauren durch die Nacht fuhr, hatte sie das unheimliche Gefühl, in eine fremde Welt übergewechselt zu sein.
    “Wohin fahren wir?” fragte sie, als die Stille unerträglich wurde. Sie bekam keine Antwort.
    “Sam?” Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu und sah, dass er die Augen geschlossen hatte. Er war gegen die Beifahrertür gesunken und in sich zusammengesackt. Sofort verspürte sie Angst. “Sam? Bist du noch wach?”
    Noch immer keine Antwort.
    “Sam? Sam, wach auf! Antworte mir!”
    Nur der Motor des Pick-ups und das Geräusch der Reifen waren zu hören. Ein Truck kam ihnen entgegen, und Lauren zuckte zusammen, als der Pick-up von der Druckwelle des riesigen Fahrzeugs erfasst wurde. Sie stöhnte und biss sich auf die Lippe. Was um alles in der Welt sollte sie jetzt machen?
    Sie konnte nicht ziellos durch die Gegend fahren, aber sie wusste auch nicht, wie sie die Jagdhütte erreichen sollte, von der Sam zuvor gesprochen hatte. Außerdem musste er ärztlich versorgt werden.
    Lauren unterdrückte einen hysterischen Seufzer. Wie sie das lösen sollte, war ihr ein Rätsel. Wenn sie ihn in ein Krankenhaus oder zu einem Arzt brachte, würde die Schusswunde der Polizei gemeldet werden, und wenn das geschah, war Sam so gut wie erledigt.
    Es war nach Mitternacht, und sie hatte keine Ahnung, wo sie sich überhaupt befand. Vor sich machte sie die Lichter einer Stadt

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