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Zeugin am Abgrund

Zeugin am Abgrund

Titel: Zeugin am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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aus. Bei ihrem Anblick fasste sie einen Entschluss.
    Ein Schild am Highway identifizierte die Stadt als Monticello in Utah. Am ersten Motel hielt Lauren an und mietete mit Sams falscher Kreditkarte ein Zimmer. Sie betete, dass der verschlafene Portier sie nicht erkannte und ihr auch nicht zu viele Fragen stellte.
    Sie parkte den Pick-up dicht an der Tür zu ihrem Zimmer, und irgendwie gelang es ihr tatsächlich, Sam, der kurz aus seiner Ohnmacht aufgewacht war und sie so gut er konnte unterstützte, aus dem Wagen zu ziehen. Sie legte seinen Arm um ihre Schultern und umfasste seine Taille, dann brachte sie ihn ins Zimmer, wo sie beinahe unter seinem Gewicht zusammenbrach und schließlich gemeinsam mit ihm vornüber aufs Bett fiel.
    Lauren stand wieder auf und lief nach draußen, um den Matchbeutel hereinzuholen, dann verschloss und verriegelte sie die Tür. Nachdem sie die Heizung aufgedreht hatte, fiel ihr auf, dass Sam sich nicht gerührt hatte. Sie ging zum Bett und legte ihm behutsam die Hand auf die Schulter. “Sam? Wie fühlst du dich?”
    Er reagierte nicht, woraufhin sie seinen Puls fühlte und die Augenlider aufzog. Ihr wurde klar, dass er wieder das Bewusstsein verloren hatte. Umso besser, dachte sie mit Blick auf das, was sie nun vorhatte.
    Lauren versuchte logisch zu denken und gegen die Müdigkeit und die Angst anzukämpfen. Als Erstes musste sie die Wunde säubern, bevor diese sich entzünden konnte. Wahrscheinlich würde dadurch die Blutung wieder einsetzen, aber daran konnte sie nichts ändern.
    Es war kurz vor eins in der Nacht. Woher sollte sie Medizin und Verbandstoff bekommen? Nach dem ersten Eindruck von Monticello hatte sie das Gefühl, dass man in dieser Stadt die Bürgersteige schon vor Stunden hochgeklappt hatte. Sie sah zu Sam und überlegte, ob sie es überhaupt riskieren konnte, ihn längere Zeit allein zu lassen, um durch die Stadt zu fahren und nach einem Drugstore zu suchen, der auch nachts geöffnet hatte. Sie zog den Wagenschlüssel aus der Tasche ihres Parkas und spielte damit, während sie nachdachte, bis ihr eine Idee kam.
    Der Pick-up! Warum hatte sie nicht eher daran gedacht? Ein Rancher würde auf jeden Fall einen gut sortierten Verbandskasten in seinem Wagen haben. Immerhin arbeitete er einen großen Teil des Tages unter freiem Himmel und musste in der Lage sein, sich zu verarzten, da er nicht so schnell Hilfe holen konnte.
    Lauren schloss die Zimmertür auf und lief nach draußen. Nach kurzer Suche stieß sie hinter dem Sitz im verlängerten Bereich der Fahrerkabine auf eine große Plastikkiste mit einem roten Kreuz darauf.
    “Augustus, du bist ein Schatz”, murmelte sie und kehrte ins Zimmer zurück.
    Nach einer anstrengenden Aktion gelang es ihr schließlich, Sams Oberkörper frei zu machen und das Halfter mitsamt Waffe zu öffnen. Eine Hand schob sie unter ihn, um die Brust nach einer Austrittswunde abzusuchen, konnte aber nichts finden. Lauren gab einen missbilligenden Laut von sich. Die Kugel steckte noch in seinem Körper.
    Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, und konzentrierte sich darauf, zunächst die Wunde an sich zu säubern und dann mit einem Waschlappen seinen ganzen Rücken von der dünnen Schicht Blut zu reinigen, die sich auf seiner Haut verteilt hatte. Als sie damit fertig war, beugte sie sich vor und begutachtete die Einschussstelle. Besorgt verzog sie den Mund. Die Wunde war tiefrot mit einem hauchdünnen grauen Rand. Sie blutete noch immer. Sie wischte noch einmal mit dem Waschlappen über die Stelle und bemerkte, dass Stofffetzen von seiner Kleidung in die Wunde gelangt waren. Sie runzelte die Stirn. Das konnte nicht gut sein.
    Zu ihrer Erleichterung fanden sich neben den üblichen Gazestreifen, der Watte und den Mullbinden im Verbandskasten eine Pinzette, Alkohol, Jod, eine Tube antibiotische Salbe und sogar Chirurgennadeln sowie Faden. Bei den letzten Gegenständen schauderte es ihr angesichts der Härte, die diese Cowboys an den Tag legten.
    Lauren ging ins Badezimmer und desinfizierte die Pinzette mit Alkohol, dann kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und kniete sich neben Sam aufs Bett. Sie biss sich auf die Unterlippe und zögerte kurz, während ihre Hand einen Moment lang zitternd über der hässlichen Wunde hing. “Du kannst das, Lauren. Du musst das können!” Sie schloss kurz die Augen, schickte ein Stoßgebet zum Himmel, holte tief Luft und beugte sich vor.
    Sam stöhnte auf, als sie den ersten winzigen Stofffetzen aus der Wunde holte.

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