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Zeugin am Abgrund

Zeugin am Abgrund

Titel: Zeugin am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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der Stelle.
    Nach gut einer Stunde war das Feuer im Kamin ausgebrannt, die Glut verbreitete kaum noch Wärme. Lauren wurde wach, setzte sich auf und gähnte, dann sah sie sich verschlafen um. Von Sam war nichts zu sehen. Sie streckte sich und strich sich das wirre Haar aus der Stirn. Als sie auf ihre Armbanduhr sah, riss sie erschrocken die Augen auf.
    Großer Gott, sie hatte dreizehn Stunden geschlafen.
    Sie kletterte aus dem Schlafsack und zog ihre Stiefel an. Mit der Metallstange stocherte sie dann so in der Glut herum, wie sie es bei Sam am Abend zuvor gesehen hatte, während sie betete, dass sie das Feuer wieder zum Auflodern bringen konnte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie es völlig von neuem hätte entfachen können.
    Eine kleine Flamme zeigte sich, und rasch warf Lauren einen Zweig auf die Glut. Das tote Holz fing zum Glück sofort Feuer, und Lauren atmete erleichtert auf. Sie legte weitere Zweige und Äste nach, bis ein angenehm wärmendes Feuer im Kamin brannte. Stolz auf ihre Leistung durchsuchte sie ihre Handtasche, holte ein Päckchen Taschentücher und eine kleine Flasche Desinfektionslotion heraus, steckte beides in eine Tasche ihres Parkas und ging zur Tür. Während sie die Sicherheitsleine durch den Ring am Reißverschluss zog, fragte sie sich, wo Sam war. Im gleichen Moment machten sich wieder die Befürchtungen breit, die sie schon am Abend zuvor heimgesucht hatten. Wenn ihm irgendetwas zustieß …
    Nein. Nein, darüber wollte sie nicht nachdenken. Sam konnte gut auf sich selbst aufpassen. Hatte er ihr das nicht versichert? Wahrscheinlich war er irgendwo da draußen, um etwas zu unternehmen, was für ihr Überleben erforderlich war. Er würde bald wieder da sein.
    In der Hütte war es ihr schon kalt vorgekommen, doch das war nichts im Vergleich zu der beißenden Kälte, die hier draußen herrschte. Beim ersten Kontakt mit dem eisigen Wind musste Lauren nach Luft ringen. Der dichte Schneefall ließ sie zwei, im Höchstfall drei Meter weit sehen, und nichts deutete darauf hin, dass sich daran etwas ändern würde. Der Schnee, der bereits gefallen war, reichte ihr bis über die Knie. Sie bahnte sich so weit einen Weg durch die pulvrige Masse, wie die Leine es gestattete, sah sich um und begab sich dann in den zweifelhaften Schutz eines Baums, um einem dringenden Bedürfnis nachzugehen.
    Als sie fertig war, säuberte sie ihre Hände im Schnee und rieb dann ein wenig von der Desinfektionslotion ein. Schließlich folgte sie der Leine zurück in Richtung Hütte.
    Der Schnee, den sie am Vorabend gesammelt hatte, war geschmolzen, stellte aber nur eine geringe Ausbeute dar. Sie goss das Wasser in die Pfanne, dann ging sie wieder nach draußen, um den Topf erneut zu füllen.
    Das machte sie mehrere Male, und als sie endlich einen Topf voll heißem Wasser hatte, knurrte ihr Magen. Sam war noch immer nicht zurückgekehrt. Sie war fest entschlossen, sich selbst zu behaupten, nahm ein Päckchen Eipulver und las aufmerksam die Zubereitungshinweise.
    Einige Zeit später nahm sie die Pfanne vom Feuer und betrachtete misstrauisch die flüssige gelbe Masse. Das konnte wohl kaum richtig sein.
    Sie nahm ihren Mut zusammen, tauchte einen Löffel ein und kostete von der Masse. Erst kaute sie sehr vorsichtig, dann mit immer größerer Begeisterung. So schlecht war das gar nicht. Oder sie war so hungrig, dass ihre Geschmacksnerven alles mitmachten?
    Nachdem sie eine kleine Portion der seltsam aussehenden Eierspeise und einen Streifen Dörrfleisch gegessen hatte, stellte sie den Rest neben das Feuer, um ihn für Sam warm zu halten.
    Sie versuchte dessen Rückkehr geduldig abzuwarten, trotzdem sah sie alle paar Minuten auf ihre Armbanduhr. Sie schrubbte den Teller, den sie benutzt hatte, und verließ wieder die Hütte, um mehr Schnee zu holen. Sie las die Anweisungen auf allen Lebensmittelpackungen, feilte einen Fingernagel, der abgebrochen war, und sagte sich immer wieder, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Doch je mehr Zeit verstrich, umso unruhiger wurde sie. Als Sam dann endlich zurückkehrte, war sie mit den Nerven fast am Ende und lief in der Hütte wie ein Tiger in seinem Käfig hin und her. In dem Augenblick, in dem er hereinkam, stürmte sie auf ihn los und fuhr ihn an: “Wo sind Sie gewesen?”
    Sam hielt kurz inne und warf ihr einen eisigen Blick zu. “Ich habe Fallen aufgestellt.” Er betrachtete sie von oben bis unten und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, als er ihre Angst

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