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Zeugin am Abgrund

Zeugin am Abgrund

Titel: Zeugin am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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dichte Baumgruppe, und Sam erklärte, sie würden eine Pause machen. Lauren beugte sich vornüber und stützte die Hände auf ihre Knie, während sie versuchte, wieder gleichmäßig und ruhig zu atmen.
    “Da drüben ist ein ziemlich ausladender Busch. Falls du wieder eine ‚Toilette‘ aufsuchen musst, dann solltest du das jetzt tun, solange wir noch Zeit dazu haben”, warnte Sam sie.
    Lauren fehlte die Kraft, um gegen seinen Tonfall zu protestieren oder seine Bemerkung zu kommentieren. Wortlos richtete sie sich auf und verschwand hinter dem Busch.
    Als sie zurückkam, hatte Sam ein kleines Feuer entfacht und etwas Schnee schmelzen lassen, um eines der Fertiggerichte zuzubereiten. Lauren sah sich ängstlich um. “Haben wir Zeit dafür? Sollten wir nicht weiterziehen?”
    “Wir haben sehr viele Kalorien verbrannt. Außerdem brauchen wir etwas Heißes, damit uns wieder warm wird und wir länger durchhalten. Und die Typen hinter uns müssen auch etwas essen.”
    Als sie Sam zum ersten Mal begegnet war, hatte er sich seit einigen Tagen nicht rasiert. Jetzt, nach vier Tagen auf der Flucht, entwickelte sich allmählich ein dichter Bart. Auch seine Haare waren länger geworden, wie Lauren bemerkte. Eine Strähne, die so schwarz-blau glänzte wie das Gefieder eines Raben, hing ihm in die Stirn. Im Schein des kleinen Lagerfeuers hatte seine Haut eine gold-bronzene Färbung. Während sie sein markantes Profil betrachtete, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, wie offensichtlich seine indianische Abstammung eigentlich war. Komisch, dass ihr das zuvor noch nicht aufgefallen war, nicht einmal, nachdem er ihr von seiner Mutter erzählt hatte.
    Er hatte etwas Besonderes an sich, was seine Haltung und sein körperliches Erscheinungsbild anging. Sam wirkte völlig natürlich, wie er da vor dem Feuer hockte -- zäh und Herr der Lage, sogar ein wenig gefährlich. Ein Alpha-Mann. Dominant. Sexy.
    Ein angenehmer Schauer durchfuhr Lauren. Sie wandte den Blick ab und legte die Arme um sich.
    “Fertig”, erklärte Sam. Er holte zwei Löffel aus dem Rucksack und reichte ihr einen, dann hielt er den Topf zwischen sie beide. “Hau rein und beeil dich. Wir müssen in fünf Minuten weiter.”
    Der heiße Eintopf schmeckte köstlich, und die Wärme, die er in ihrem Körper verbreitete, war absolut himmlisch.
    Lauren war vor Müdigkeit fast übermütig. Während sie hastig das Essen aus dem Topf aß, begann sie leise zu kichern, da sie an all die edlen Dinnergesellschaften denken musste, die sie während ihrer Karriere besucht hatte.
    “Was ist so lustig?”
    Sie sah auf und bemerkte, dass Sam sie beobachtete.
    “Nichts. Gar nichts”, antwortete sie. Sie nahm einen weiteren Löffel und kämpfte gegen den Wunsch an, hysterisch zu lachen, als sie sich vorstellte, wie entsetzt diese verwöhnten Musikliebhaber reagiert hätten, wenn sie jetzt sehen könnten, wie sie sich mitten in einer Schneelandschaft mit einem schmuddeligen unrasierten Mann ein Fertiggericht teilte.
    Sie aßen auf, dann wischte Sam den Topf und die Löffel mit Schnee sauber und verstaute alles wieder im Rucksack. Nachdem er die Feuerstelle mit Schnee bedeckt hatte, überraschte er Lauren damit, dass er ihr beim Aufstehen half. Als sie vor ihm stand, hielt er noch immer ihre Hand und sah sie an. “Alles in Ordnung?”
    Sein besorgter Tonfall überraschte sie noch mehr und ließ einen wohligen Schauer über ihre Haut rieseln. Und so absurd es war -- ihre Augen wurden feucht.
    Verärgert über sich selbst, zwinkerte sie und schüttelte den Kopf. “Ja, es geht mir gut. Ich bin fertig, wenn du es bist”, sagte sie und griff nach dem Matchbeutel.
    Kurz nachdem sie aufgebrochen waren, brach die Dunkelheit über sie herein. Das fahle Mondlicht wurde vom Schnee in einem bläulichen Leuchten reflektiert, das schön und unheimlich zugleich war.
    Die nächsten Stunden wanderten sie in einem stetigen, wenn auch etwas langsameren Tempo als zuvor durch das Gebirge. Gegen zehn Uhr war Lauren so weit, im Stehen einzuschlafen. Sie folgte Sam wie ein Zombie, während sie vorsichtig einen steilen Hang hinunterstiegen. Ihre Arme und Beine waren so steif und ihre Bewegungen so unkoordiniert, dass der kleinste Fehltritt eine Katastrophe hätte nach sich ziehen können.
    Sie war dermaßen erschöpft, dass sie kaum noch einen Laut von sich geben konnte, doch der kurze, schwache Aufschrei genügte, um Sam zu beunruhigen. Er blieb stehen und sah sich in dem Moment um, als Lauren ein Stück hinter

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