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Zicke

Zicke

Titel: Zicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Zarr
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Aber ich war nicht völlig naiv gewesen und hatte schon von Melony ein bisschen was erfahren – und, nun ja, ich glaube, es ist einfach der menschliche Instinkt, der irgendwie rausfindet, was Sache ist. Ich weiß noch, dass ich es dieses erste Mal nicht wirklich tun wollte, ich wollte eigentlich nur weiter küssen, wie wir es zuvor immer gemacht hatten. Aber ich war bekifft gewesen und es war mir wie eine vernünftige Alternative vorgekommen, es ganz und gar zu machen. Außerdem hatte ich nicht gewollt, dass er sauer auf mich sein würde. Ich hatte nicht gewollt, dass alles aufhörte.
    »Komm schon, Dee Dee«, sagte er jetzt.
    Ich schob seine Hand weg und setzte mich aufrecht hin. »Kannst du nicht einfach …« Ich wusste nicht, was ich sagen wollte. »Ich will jetzt im Moment nicht.«
    »Doch, du willst. Komm schon. Bitte! Früher hast du das so gemocht.« Es war, ehrlich gesagt, zugleich traurig und komisch, wie unterschiedlich die Erinnerungen zweier Leute an dasselbe Ereignis sein konnten. Und das war im Grunde das ganze Problem: dass diese Geschichte zwischen uns passiert war, und dass es für Tommy das eine und für mich etwas anderes |156| gewesen war – und sowie mein Dad mit ins Spiel kam, wurde es wiederum zu etwas anderem. Drei Leute am Tatort, jeweils mit einer anderen Geschichte. Dazu kam die versammelte Jury namens Terra Nova Highschool. Wer sollte da noch wissen, was wirklich geschehen war?
    Ich packte mein T-Shirt und stieg aus dem Wagen. Ich stand draußen im Nebel, im BH, und drehte das Shirt richtig herum. Jemand in dem anderen Wagen kurbelte ein Fenster herunter und ich hörte ein Mädchen rufen: »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja, kein Problem«, rief ich quer über den Parkplatz und zog mir das Hemd über den Kopf.
    Tommy stieg auf seiner Seite aus und blickte mich über das glänzende Wagendach hinweg an. »Was ist eigentlich los?«
    »Ich habe das damals nicht gemocht!«, erklärte ich.
    »Okay.« Er lächelte. »Aber
ich
mochte es, und ich weiß, dass es dir mit mir auch gefallen hat. Ich
weiß
es. Ich habe immer mein Bestes gegeben.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich mich dabei nicht gut gefühlt hätte …«
    Ist doch komisch, im Aufklärungsunterricht bereiten sie dich nie auf diesen Teil des Ganzen vor: darauf, wie du über das, was du gemacht hast, sprichst, warum du es gemacht und was du empfunden hast, vorher, dabei und danach.
    »Was meinst du dann?« Er verschränkte die Arme auf dem Wagendach und stützte sich darauf. »Was ist das Problem?«
    |157| »Das Problem«, fing ich an. »Einfach … die ganze Geschichte …« Dann fing ich an zu weinen und konnte nicht mehr aufhören. Zweimal am Tag geheult. Na bravo.
    Tommys Grinsen erstarrte und er kam zu mir auf die andere Wagenseite herüber. Ein anständiger Kerl, ein Ex, der sich Sorgen um dich macht, würde dich an diesem Punkt umarmen, oder? Tommy aber konnte nur starren und den Eindruck machen, als würde er in diesem Moment gern woanders sein. »Was ist? Was hab ich getan?«
    »Mein Gott, Tommy! Ich war dreizehn!« Er sah mir weiter beim Weinen zu. »Fällt dir nichts auf? Ich habe damals noch nie ein Date zuvor mit jemandem gehabt. Bis heute nicht!«
    »Und das soll meine Schuld sein?«
    »Du warst siebzehn. Angeblich Darrens bester Freund.« Ich wischte mir mit dem Arm übers Gesicht und versuchte mich zu beruhigen. »Weißt du, dass ich dich hätte anzeigen können? Es gibt Gesetze.«
    »Hast du aber nicht.«
    »Ich
weiß
. Das ist nicht … Was, wenn du eine kleine
    Schwester hättest«, versuchte ich es anders, »und Darren ihr den ganzen Scheiß angetan hätte, den du mir angetan hast?«
    »Dir ›angetan‹? Was soll das heißen?« Er schien ehrlich verwirrt. »Willst du behaupten, dass ich dich sozusagen
vergewaltigt
hätte? Denn wenn du das sagst …«
    »Nein. Nein, ich – du hast mich noch nicht mal irgendwohin eingeladen. Wir sind nicht ein einziges |158| Mal in einen Film gegangen. Wir hingen nie einfach nur mal rum und haben Fernsehen geguckt.« Wir haben nie Händchen gehalten, wir sind nie spazieren gegangen, wir waren nie zusammen essen. Je länger die Liste in meinem Kopf wurde, desto jämmerlicher fühlte ich mich. Je verletzter ich mich fühlte, desto wütender war ich, desto aufgewühlter – wegen allem. »Was
war
ich für dich, Tommy? Was hast du von mir gehalten?«
    »Was ich von dir
gehalten
habe? Ich habe dich gemocht, oder? Ich fand dich süß. Ich fand, du hast mich angetörnt.«
    »Du hast mich

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