Zicke
Treppe runterging und das Zimmer im Licht des ebenerdigen Fensters durchquerte.
Darren war da; er lag bäuchlings im Bett und schnarchte leise.
Keine Stacy, keine April.
|191| Ich berührte Aprils kleine Minnie-Maus-Schlafdecke, ging dann hinüber und setzte mich auf den Rand von Darrens Bett.
Er drehte sich um, öffnete die Augen und setzte sich rasch auf. »Mein Gott!« Er ließ sich aufs Kissen zurückfallen, als er bemerkte, dass nur ich es war. »Du hast mir einen Wahnsinnsschrecken eingejagt.«
»Wo sind sie?«
»Erkläre ich dir morgen. Ich muss jetzt schlafen.«
»Kommen sie zurück?«
»Deanna …«
»Sag es mir einfach.«
»Lass mich schlafen, okay? Ich rede morgen mit dir.« Er drehte sich zur anderen Seite und zog sich die Decke ans Kinn – so wie er immer geschlafen hatte, als wir noch klein waren, wenn wir zusammen draußen im Wohnzimmer übernachteten oder hinten im Garten.
Verschiedene Dinge gingen mir durch den Kopf, während ich ihn ansah, aber ich konnte sie nicht aussprechen – zum Beispiel:
›Ich bin froh, dass du wieder da bist, Darren.‹
›Tut mir leid wegen gestern, Darren.‹
›Darren, ich verstehe, was du tun musst.‹
Ich stopfte die Ecke des Betttuchs unter die Matratze, vorsichtig, um ihn nicht zu berühren. Dann ging ich nach oben ins Bett.
***
|192| Nach einer unruhigen Nacht wachte ich früh auf. Mom war schon in der rosa Küche in ihrem flaumigen rosa Morgenmantel und machte Kaffee, wie sie es immer getan hatte: Mit wenigen flinken Bewegungen Kaffeepulver löffeln, Wasser eingießen und den Schalter anknipsen.
»Du bist schon auf«, begrüßte sie mich. »Wir haben dich gestern Abend nicht gehört.«
»Ihr müsst schon geschlafen haben.«
»Möglich. Das war einfach zu viel gestern.«
Leichte Untertreibung. »Wo sind Stacy und April?«
»Ach, Schatz, das ist eine lange Geschichte. Warum frühstückst du nicht erst? Wie wär’s mit Haferflocken? Es ist ein guter Morgen für Haferflocken …« Sie holte bereits eine Tüte mit Haferflocken und eine Schüssel raus.
»Ich habe noch keinen Hunger. Ich will nur wissen, wo sie sind.«
Sie öffnete die Tüte dennoch und schüttete den Inhalt in die Schüssel. »Du solltest eigentlich deinen Bruder nach den Einzelheiten fragen. Junge Eltern haben es schwer, weißt du. Die finden schon eine Lösung. Ist Zimt-Rosine okay?«
»Mein Gott, Mom. Ich möchte keine Haferflocken.«
»Nun, schon gut, du musst mich nicht gleich anschreien.«
Ich ging zum Kühlschrank und holte mir eine Dose Malzbier, als Dad hereinkam, seinen Kaffeebecher vom Haken an der Wand nahm und sich Kaffee einschenkte. »Wo warst du letzte Nacht?«
|193| »Arbeiten.«
»Ich habe dich nicht heimkommen hören.«
Mom warf ein: »Wir müssen geschlafen haben, Schatz.«
»Wie bist du nach Hause gekommen?«
Ich knackte die Malzbierdose und nippte daran. Ich wusste, dass das Gespräch zu nichts Gutem führen würde, spielte aber mit. »Mein Chef hat mich gefahren.«
Mom sah mich an, als ob ich das lieber nicht hätte sagen sollen, als ob ich besser gelogen hätte, dann wuselte sie um Dad herum. »Ich habe eben zu Deanna gesagt, dass es ein guter Morgen für Haferflocken ist. Möchtest du welche? Dauert nur fünf Minuten.«
Er ignorierte sie. »Und dein Chef heißt …?«
»Michael.«
»Wir haben Zimt-Rosine und Apfel-Zimt … hmm, die sind, glaube ich, alle mit Zimt …« Sie hielt die Haferflocken in der Hand und blickte abwechselnd mich und Dad an, als würde sie gleich anfangen wollen, Stepp zu tanzen und mit der Packung zu jonglieren, wenn es denn helfen würde, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken.
»Und wie alt ist dieser Michael?«
»Alt«, sagte ich. »Sechsundvierzig.«
Dads Kiefer fing an zu mahlen und er stellte seinen Becher ab. »Und warum fährt er dich?«
»Weil er nett ist«, sagte ich. Ich nippte an meinem Malzbier und hielt Dads Blick stand. »Außerdem habe ich ihn gefickt.«
|194| Mom japste. »Deanna!«
Dad lief rot an und deutete mit dem Finger auf mich. »Wenn du das für komisch hältst …«
In diesem Moment kam Darren rein und ging geradewegs auf die Kaffeemaschine zu. Er schenkte sich einen Becher ein und blickte zu Mom, die nach wie vor die Packung mit den Haferflocken in den Händen hatte. »Ich nehme gern von den Haferflocken, danke.«
»Nicht jetzt, Darren«, sagte sie scharf.
»Ich halte das nicht für komisch«, meinte ich. »Ich finde es zum Kotzen. Ich finde es zum Kotzen, dass du denkst, ich
Weitere Kostenlose Bücher