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Zicke

Zicke

Titel: Zicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Zarr
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hinterher.
    »Deanna ist hier«, sagte er ins Telefon. »Willst du mit ihr reden?« Er hielt mir lächelnd den Hörer hin. Ich drückte den Rücken an die Tür und schüttelte den Kopf. Er sah mich verwirrt an; ich ging schwer atmend hinaus und überlegte, was ich jetzt tun sollte. Arbeit hieß Tommy. Zuhause hieß vielleicht feststellen, dass es mit Darren und Stacy aus war.
    In dem Moment, als meine Hand die vordere Tür berührte, kam Jason ins Wohnzimmer. »Was war das denn?«, fragte er. Ich wandte mich nicht um. »Lee ist ganz komisch geworden, als ich sagte, dass du hier bist.«
    »Ich muss gehen.«
    »Ne-eh.« Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter und wandte mich um. Er machte immer noch dieses verwirrte Gesicht, zudem wirkte er jetzt ein wenig angesäuert. »Erzählst du es mir nun oder was?«
    Wir waren einander nah, dort an der Tür, ich trug sein Hemd und seine warme Hand lag immer noch |180| auf meiner Schulter. In meiner Tasche war das Einstecktuch von der Ankleidepuppe. Ich wünschte, ich könnte ihn einfach umarmen, so wie Lee mich immer umarmte, lässig und sicher. Aber ich wusste nicht, wie ich überhaupt irgendetwas auf die lässige und sichere Tour machen konnte.
    »Ich könnte deine Freundin sein«, flüsterte ich. »Ich wäre eine tolle Freundin.«
    Jason blickte auf seine Schuhe. »Ja. Ich weiß.«
    Und obwohl ich wusste, dass es nicht das war, was er wollte – küsste ich ihn. Ich schlang ihm die Arme um den Hals, schmiegte meinen ganzen Körper an ihn und küsste ihn. Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde, dann erwiderte er meinen Kuss. Es war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte: Er zog mich an sich und legte die Hände auf meine Hüften. Von meinem Bauch strömte Wärme aus.
    Und da war sie. Lee. Lee in meinem Kopf. Die Art, wie sie mich angesehen hatte, als ich ihr von mir und Tommy erzählte. Wie sie so entzückend die Achseln gezuckt hatte – nach allem, was ich mir seit zwei Jahren hatte anhören müssen über mich!
Hey , wir alle haben etwas erlebt, das wir gern ändern würden, oder ?
    Ich löste meine Arme von Jason. Er starrte zu Boden und steckte die Hände in die Taschen. »Wie?«, sagte ich und brach erneut, schon
wieder
, in Tränen aus. »Wie soll ich meinen Weg da raus finden?«
    »Was?«
    »Wie soll ich meinen Weg da raus finden?«, wiederholte ich, während mir Tränen übers Gesicht kullerten. |181| »Wo ich doch jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, mich selbst wiederfinde?!«
    »Du gehst jetzt besser.«
    Ich öffnete die Tür und trat hinaus auf die Vortreppe.
    Der Nebel hatte sich jetzt über alles gelegt, schwer und feucht. Ich schlang Jasons Hemd fester um mich.

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    Wenn ich je das Mädchen auf den Wellen getroffen hätte, ich hätte ihm Folgendes gesagt: Vergessen genügt nicht.
    Du kannst von den Erinnerungen wegpaddeln und glauben, sie wären verschwunden.
    Aber sie werden immer wieder zurückströmen, wieder und wieder und wieder.
    Sie umkreisen dich wie Haie.
    Und du blutest deine Angst ins Meer.
    Bis, es sei denn
    Etwas
    Jemand?
    Mehr tun kann, als nur die Wunde zu versorgen.

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    Tommy erschien nicht bei der Arbeit. Brenda war dageblieben und sprang für ihn ein; sie machte den Eindruck, als sei sie höllisch genervt. Vielleicht war es aber auch ihre wirklich miserable Dauerwelle, derentwegen sie so unglücklich dreinschaute.
    Ich fand Michael auf einer Sitzbank, wie er im Dämmerlicht ein wenig Bürokram erledigte.
    »Hat er gekündigt oder was?«, fragte ich.
    Michael blickte auf und schob die Brille hinunter auf seine Nasenspitze. »Wer, Tommy? Ich hoffe nicht. Er behauptet, er sei krank.«
    Brenda kam zu uns rüber und stopfte sich ein Handtuch in den Schürzenbund. »Hast du ihr gesagt, dass ich nicht bis zum Feierabend bleiben kann?«
    »Noch nicht«, sagte Michael und wandte sich zu mir. »Brenda kann nicht bis zum Feierabend bleiben.«
    »Mein Babysitter muss um zehn zu Hause sein«, erklärte sie. »Hast du ihr gesagt, sie soll die Finger von der Kasse lassen? Acht Jahre und bei mir hat nie auch nur ein Cent gefehlt.«
    Er lächelte sie an. »Wie wär’s, wenn du gehst und die Schneidemaschine vollends sauber machst?« Sie verzog sich, und Michael seufzte. »Bleib heute Abend |184| einfach von der Kasse weg. Sie hat da einen recht hübschen Rekord am Laufen.«
    »Sie arbeitet seit acht Jahren hier?«
    »Richtig.«
    »Ich will ja nicht gehässig sein«, sagte ich, »aber wenn ich in acht Jahren immer noch

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