Ziegelgold - Das Geheimnis von Kleiborg (German Edition)
des verwilderten Gartens. „Alfred ist unser Bobtail. Er ist noch etwas jung und ungestüm und freut sich immer so über Besuch“, schallte es wieder aus dem Nichts. Alex ging in den Garten, von wo aus er die Rufe vermutete. Hinter dem Grünkohl, der hier gern als ostfriesische Palme bezeichnet wird, entdeckte er den Pastor, der auf den Knien saß und mit alten, morschen Baumstämmen hantierte. „Hallo, Herr Schmidt, was machen Sie denn da?“, fragte Alex leicht verwundert. Der Pastor lächelte ihn an. „Ich impfe Baumstämme.“ Alex muss ein sehr komisches Gesicht gemacht haben, denn Pastor Schmidt fing schallend an zu lachen, als er Alex' ansah. „Ne, nicht so wie du denkst. Ich impfe die morschen Stämme mit einer Pilzbrut und hoffe, dass ich nächstes Jahr Shii-Take ernten kann. Das ist ein chinesischer Pilz und er soll sehr gesund sein.“ Typisch unser Pastor, dachte Alex, der sich nicht vorstellen konnte, dass außer ihm noch jemand in Kleiborg auf die Idee kommen könnte, Pilze zu züchten. „Ah ja“, war der einzige Kommentar, der ihm zu dem Thema Pilzzucht einfiel.
Pastor Schmidt stand umständlich auf und klopfte sich die Erde von der blauen Arbeitshose. Kein Mensch könnte sich vorstellen, das dieser Mann mit den schmutzigen Händen und der dreckigen Hose am Sonntag von der Kanzel predigte, überlegte Alex. Der Pastor begrüßte ihn per Handschlag. „Was kann ich dir anbieten? Kaffee, Kakao, Malzbier?“ Obwohl Alex gerne Malzbier trank, wollte er in diesem Augenblick gerne als Erwachsener behandelt werden. „Kaffee wäre klasse“, sagte er nach kurzer Überlegung. Der Pastor gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er sich setzen solle und verschwand im Haus, um kurz darauf mit einer altmodischen Porzellankaffeekanne und einem Milchkrug wieder im Garten zu erscheinen.
„ Was führt dich zu mir?“, fragte er neugierig, als er sich in seinen Gartenstuhl fallen ließ. Alex wunderte sich ein wenig, dass der Pastor zu Beginn der Herbstferien noch die Gartenmöbel draußen stehen hatte. Aber wie gesagt, dieser Mann tickte eben etwas anders als die übrigen Dorfbewohner. „Wie kann ich heraus finden, wer 1936 hier in Kleiborg gewohnt hat?“, fragte Alex ohne Umschweife. Pastor Schmidt sah ihn kurz an, fragte aber nicht, warum Alex sich dafür interessierte. „Das ist nicht so einfach“, entgegnete er. „In unseren Kirchenbücher sind alle Taufen, Eheschließungen und Einsegnungen, also Beerdigungen verzeichnet, aber nicht, welche Bürger hier im Ort gewohnt haben.“ Er überlegte kurz. „Trotzdem, 1936 sind die Leute nicht oft umgezo gen. Das heißt, mit großer Wahrscheinlichkeit kann man von den Daten aus den Kirchenbüchern auf die Bevölkerungszahl schließen.“ Der Pastor schenkte beiden einen Kaffee ein und goss genau so viel Milch dazu. Dann gab er noch vier Würfelzucker in seine Tasse. „Was suchst du denn genau“, fragte er, während er eifrig seinen Kaffee umrührte. Alex atmete tief durch, und nahm sich ein Herz. „Ich suche einen Mann mit den Initialen E.H., der 1936 wahrscheinlich hier im Dorf gelebt, oder in der Ziegelei gearbeitet hat.“ Der Pastor sah Alex eindringlich an. „Na, damals haben eigentlich alle Beschäftigten der Ziegelei hier im Dorf oder zumindest in der Nähe gewohnt.“ Alex atmete auf, als keine Fragen nach dem Grund seines Anliegens kamen.
Pastor Schmidt erhob sich stöhnend aus seinem Sessel und trank den letzten Schluck seines Kaffees im Stehen. „Na, was ist?“, fragte er Alex, der noch bequem in seinem Sessel saß. „Los, hopp hopp. Ich dachte, du wolltest die Kirchenbücher einsehen.“ Alex sprang auf und eilte dem Pastor hinterher. Schweigend gingen sie zur naheliegenden Kirche. Alex war nervös. Er hatte immer noch Bedenken, dass der Pastor ihn nach dem Grund seines Anliegens fragen würde. Doch der war im Moment viel mehr damit beschäftigt, den richtigen Schlüssel für die Kirche in den zahlreichen Taschen seiner Arbeitskleidung zu finden.
Die Kirche war ein schöner alter Backsteinbau, wie es für diese Gegend typisch war. Der trutzige Glockenturm, natürlich auch aus Backstein, stand direkt neben dem massiven Kirchengebäude. Mitten auf dem Friedhof neben der Kirche stand eine mächtige Linde. Die linke Seite des Baumes hatte grüne Blätter, die rechte rote. Ein ehemaliger Volksschullehrer hatte vor vielen Jahren den damals jungen Baum veredelt. Eingerahmt wurde der Friedhof von einer Backsteinmauer, die im Sonnenlicht
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