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Zieh dich aus, du alte Hippe

Zieh dich aus, du alte Hippe

Titel: Zieh dich aus, du alte Hippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Schneider
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Gefühle sind unbeschreiblich. Hier der unerhörte Reichtum des Bürgermeisters, da die schnöde Einsamkeit in selbstgewählter Armut der Frau, kein Likörchen, kein Teppich, nur abgelatschter Linolersatz auf den Dielen. Hier fühlt sich die Frau wohl, sie ist daran gewöhnt. Nachdem sie die Haustür aufgeschlossen hat, guckt sie zuerst in den Briefkasten. Endlich, mit fiebrigen Fingern hält sie triumphierend einen Briefumschlag in der Hand. Inhalt: die lange erwartete Autogramm-Postkarte ihres Idols. Es handelt sich um keinen geringeren als eine bekannte Persönlichkeit aus dem öffentlichen Leben. Doch sie versteckt die Karte, es ist ihr ein bißchen peinlich. Wie oft hatte sie schon von ihm geträumt, wie gerne würde sie ihn wirklich aus der Nähe sehen. Einmal hat es fast geklappt, sie hielt sich den ganzen Tag vor seinem Haus auf, da kam er fast heraus, doch seine Frau hat ihn wieder reingerufen, zum Essen. Es ist Kommissar Schneider. Die Frau steigt die Treppen hoch. Sie schließt die Tür auf und geht in die Wohnung. Da stellt sie ihre Tasche in die Küche auf den Tisch und packt den Inhalt aus, verstaut ein paar Teile im Kühlschrank. Den Spinat legt sie ins Kühlfach. Ihr Sohn hatte ihr zu Weihnachten dieses Modell geschenkt, vorher hatte sie kein Eisfach. Jetzt hat sie das Gefühl, sie könne auf diesen Luxus nicht mehr verzichten. Aus dem Eisfach fällt ein gefrorenes Huhn ihr vor die Brust, mit den Ellenbogen schiebt sie das Ding wieder zurück an seinen Ort. Schnell die Tür zu. Ihre Zungenspitze guckt keck zwischen den Zähnen hervor, als sie sich emsig, nachdem sie in der Küche alles erledigt hat, ins Wohnzimmer bewegt. Dort steht ein Terrarium. Sie nimmt den Deckel ab und macht sich daran, in dem Ding aufzuräumen. Ihr ganzer Stolz ist ein kleiner Frosch, den sie selbst aus einem Froschlaich gezüchtet hat. Der kleine Kerl ist so groß wie ihr Fingernagel vom kleinen Finger. Sie sieht ihn lustig zwischen den Porphyrsteinen rumhüpfen. Er hat sogar einen Namen, er heißt Salamander-Jones. Sie findet die Kinofilme so toll mit dem. Sie spricht mit ihm: »Na, wie geht's. Ich habe dir heute keine Grille mitgebracht, es war schon zu spät. Morgen gehe ich ins Zoogeschäft.« Sie nimmt einen Stein hoch und will unter ihm saubermachen, da rutscht der glitschige Stein ihr unbeholfen aus der Hand und begräbt den kleinen Frosch unter sich. Es macht ein Geräusch, wie wenn man eine Erbse mit dem Daumen zerdrückt. Unter dem Stein quillt eine Flüssigkeit hervor, der Frosch ist tot. Die Frau nimmt den Stein hoch, und an dem Stein hängen ein paar feuchte Fetzen, sie knibbelt mit dem Zeigefinger da dran rum, doch man kann nichts mehr machen. Nun ist das Terrarium gänzlich ohne Leben, der Frosch war der einzige Gast. Die Frau ist leichenblaß, sie stammelt vor sich hin, und sie schluchzt. Was für ein jämmerliches und vor allen Dingen doofes Ende für den armen Frosch. Sie nimmt das Terrarium mit beiden Händen hoch und schmeißt es gegen die nächste Wand. Mit lautem Geschepper zerspringen die Glasscheiben in tausend Stücke, Steine und Erde klatschen an die Tapete, fallen runter. Ohne aufzuräumen macht die Frau nun das, was sie schon öfter gemacht hat. Sie geht vor ihren Kleiderschrank und öffnet ihn. Im Schrank hängt ein grauer Anzug, ein großer Mantel, Hemd, Socken liegen im Fach, unten stehen Stiefel. Alles ist ihr ein bißchen zu groß. Sie zieht sich schnell aus und pfeffert ihre Klamotten in die Ecke. Sie zieht erst das Hemd an, dann den Rest. Nach wenigen Minuten steht sie da. Sie ist kaum wiederzuerkennen: breit laden ihre Schultern aus, und sie trägt die Stiefel. Sie sieht aus wie ein Mann. Mit einem teuflischen Grinsen greift sie noch einmal in den Schrank und befördert eine ausgediente Chappidose aus dem Dunkeln. Sie steckt sie in ihre Manteltasche, die Dose beult etwas aus. Sie verläßt die Wohnung. Wieder auf der Straße, zieht sie sich den Hut etwas tiefer in die Stirn, den sie noch von der Garderobe genommen hatte. Ihre Schritte verhallen ungehört in der Straßenflucht. Hohe Häuser säumen eine Gestalt, die nichts mehr mit dem gemein hat, was vorher hier zu sehen war. Diese Person führt nichts Gutes im Schilde. Sie will töten!

Aus dem Büro des Kommissars fällt ein geißelnder Lichtstrahl herb in das Gesicht des Busfahrers, der für einen Moment lang geblendet ist. Er reißt das Lenkrad rum und gibt Gas. Kommissar Schneider ärgert sich. Immer, wenn der Bus am Präsidium

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