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Zieh dich aus, du alte Hippe

Zieh dich aus, du alte Hippe

Titel: Zieh dich aus, du alte Hippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Schneider
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eingebaut, um Diebe abzuschrecken. Das weiß der Kommissar zwar, doch er bemerkt nicht den Wächter, der sich auf leisen Sohlen anschleicht. »Hey! Sie da? Was machen Sie da!?« Schnell packt er sich den Kommissar von hinten. Geistesgegenwärtig fährt der Kommissar in seine Tasche und befördert eine chemische Keule ans Tageslicht. Damit legt er den Wächter schnell flach. Doch auch der Kommissar ist benommen von dem Gift. Er schleppt sich torkelnd über die Gänge, um sich von der netten Frau hüstelnd zu verabschieden. Er steigt ins Auto und fährt los. Weil er kaum was sieht, nimmt er unglücklicherweise eine Frau mit Kinderwagen auf die Stoßstange seines Straßenrenners. Er bemerkt es erst viel später, der Kinderwagen klebt zerfetzt an der Kühlermaske, als er eine Pause macht, um einen Apfelsaft in seiner Stammkneipe zu trinken, und an dem Wagen vorbeigeht, nachdem er ihn auf den Parkplatz gesetzt hat. Ärgerlich reißt er die Überbleibsel des häßlichen Unfalls von seinem Schmuckstück. Er weiß nichts von seiner Untat. Ob man ihn deshalb verurteilen wird? »Herr Ober, ein Apfelsaft!« und der Apfelsaft kommt sofort. Schnell trinkt der Kommissar das Glas aus, er muß weiter. Das hier muß der Kindergarten sein, wo Schwester Gertrud gearbeitet hat. Die Wagentür schnappt zu. Mit dem linken Schuh tritt der Kommissar in einen Hundehaufen, ein sehr großer Haufen. Von einem Bernhardiner wahrscheinlich. »Ba!« Angeekelt schlackert er die Kacke ab, dann wischt er den Schuh seitlich an ein paar Grashalmen ab. Es geht nicht ganz ab. Er nimmt ein Papiertaschentuch aus dem Mantel und wickelt sich eine Ecke davon um den Zeigefinger der rechten Hand, spuckt einmal drauf. Dann reinigt er die letzten Kackreste aus dem Profil der Sohle. Verschämt macht er das Taschentuch zu einem Knubbel und wirft ihn in einem unbeobachteten Augenblick hinter die Büsche. Es regnet.
    Es ist so, als hätten die Kinder schon auf den Kommissar gewartet. Hinter der Glastür zeichnen sich ein paar Schatten auf dem Parkett ab. Es sieht nur aus wie Parkett, es ist Kunststoff-Fußbodenbelag. Der Kommissar will die Türe aufstoßen, da brandet ein markerschütterndes Geschrei auf! Wie von tausend Teufeln in die Atmosphäre entsandt, stehen die grausamen Kinderschreie ein paar Sekunden lang in der Luft, die zum Zerbersten angeschwollen ist. Dann der Angriff! Vierzig Kinder mit ausgezehrten Gesichtern, Kinder, die nie lachen konnten, weil Schwester Gertrud es ihnen anders befahl, mit haßerfüllten, verschlagenen Augen, fliegen auf Kommissar Schneider zu, und einer hat ihn schon an der Kehle. Damit fertig zu werden ist kaum möglich, auch für Kommissar Schneider nicht. Er rutscht aus und schlägt mit dem Hinterkopf auf den harten Boden, Blut schießt ihm unter die Augen. Einer der Kleinen haut mit dem Gebrüll eines Löwen mit einem Wischmop zu, das Ding dringt dem Kommissar tief in den rechten Oberarm ein. An seinen Beinen zappeln gleich mehrere Kinder, ein Mädchen beißt mit Leibeskräften in seine Waden. Schon ist sein schöner Mantel blutig. Wie in Rage schlagen sie auf ihn ein. Erst später merken sie, daß es gar nicht ihre »geliebte« Kinderschwester Gertrud ist! Sie lassen zitternd von dem Kommissar ab, der sich in seinem Blut wälzt und stöhnt. Sie haben den Falschen erwischt. Die Kinder rennen schnell weg. Der Kommissar ist urplötzlich allein.
    Sein Blick fällt auf eine Fotografie, auf der die Kinder zu sehen sind. Und Schwester Gertrud. Sie sitzt auf einem Schlitten, und die Kinder müssen sie ziehen. Obwohl kein Schnee ist. Man sieht die Kufen des Schlittens, wie sie Funken machen auf dem Asphalt. Doch das eigentliche Aufregende ist dies: Kinderschwester Gertrud hat eine Glatze! Der Kommissar ist zufrieden. Er kriecht an sein Auto, muß aber noch einmal zurück, weil er den Autoschlüssel auf dem Weg verloren hat. Er findet ihn nach einer Weile und kann endlich nach Hause. Seine Frau wartet schon mit dem Essen. Der Kommissar setzt sich an den Tisch und verschlingt alles mit Schmatzen. Seiner Frau ist nicht aufgefallen, daß er verwundet ist. Sie interessiert sich nicht mehr für ihn, seit sie in Italien waren. Sein Wagen muß zur Werkstatt, wegen Ölwechsel und Lichtprüfung, so nimmt der Kommissar heute mal seine lediglich sechzig Zentimeter hohe Mofette. Das Ding talbt mit einer Endgeschwindigkeit von vierzig Stundenkilometern quer durch die City. Obendrauf hängt Kommissar Schneider wie ein Affe auf dem Schleifstein, sein

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