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Zieh dich aus, du alte Hippe

Zieh dich aus, du alte Hippe

Titel: Zieh dich aus, du alte Hippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Schneider
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zeigt dem Kommissar den Sehschlitz. »Sie können nun erkennen, daß das Haarinnere etwas brüchig ist. Das deutet darauf hin, daß in dem Gebiet, wo die Frau wohnt, das Trinkwasser sehr hart ist. Moment noch... (Er fummelt mit den elektronischen Armen an dem Kern des Haars herum) ... Da! Es zerbröselt ja! Hier ist der Fall klar, es handelt sich um den Stadtteil Koquinox, nur dort ist das Wasser so hart und gleichzeitig nitratschöpfend, so daß die Menschen schon früh Haarsenilität haben. An der Außenhaut haben wir gesehen, daß die Frau 52 Jahre alt ist, und wenn man das eigentliche Innenhaar dazu analysiert, wird zwangsläufig sich folgendes herauskristallisieren: 52 Jahre alt, wohnhaft in Koquinox, unverheiratet, allein lebend, gewalttätig.« Der Kommissar staunt. »Ja, woher wollen Sie denn das alles wissen?« Seine Augen fallen bald aus dem Kopf. »Ich weiß es eben!« Der Gerichtsmediziner wird barsch. Mit einer unwirschen Handbewegung reißt er das Haar aus dem Gerät und gibt es Kommissar Schneider zurück. »Hier, ich habe auch noch was anderes zu tun, auf Wiedersehen!« Er drückt dem Kommissar die Klinke in die Hand und macht sich mit seinem Diener von dannen.

    Koquinox.
    Der Stadtteil Koquinox legt sich wie ein tonnenschweres Kummet um den Hals des Kommissars. Die undurchdringliche Mystik, das Chere de Satan, hier lebt es, obwohl tot. Grauenhafte Bilder promaterialisieren sich im Hirn des Kommissars, als er die erste Straße zaghaft mit seinen Fußspitzen berührt. Er muß hindurch, will er den Täter überführen. Schatten wachsen aus dem teergeflickten Asphalt, links und rechts. Kaum zu sehen die Umrisse von Gestalten, doch der Kommissar riecht die Anwesenheit von Menschen. Und da, ein paar Jungen mit eindeutigen Gebärden begleiten ihn durch die hohlen Furchen der Trabantenstadt. Der Kommissar verschüchtert sich, er will keine Aufmerksamkeit erwecken. Er biegt die Schultern nach innen und versucht, mehr als geradeaus zu gehen. Seine Schritte bewegen sich nach vorne innen, mit gesenktem Kopf will er entschwinden, nur schnell an seinem Ziel sein. Bevor die Gangster ihn behelligen. Bevor sie ihn in ihre aufgesteckten Stahlfinger mit messerscharfen Krallen laufen lassen. Bevor sie ihn allemachen. Schon spürt er den heiseren Atem des ersten hinter sich, direkt über seinem Hals. Und auch die zweite Rotznase, da. Sie zwingen ihn zum Anhalten. Der Kommissar zählt kurz die Füße der Angreifer, teilt sie durch zwei. Es sind nur fünf Männer, jedoch zum Äußersten entschlossen. Sie sind nämlich arbeitslos. Der Kommissar versucht, seine Haut zu retten: »Hey, Jungs, wollt Ihr 'ne Zigarette? Hier!« Er schnippt ein paar Zigaretten aus der Schachtel, die er schon die ganze Zeit krampfhaft in der Hand hält. »Hey, der Oppa hat Kippen, Leute! Was haltet ihr davon!?« Allgemeines Gegröle. »Gib!« Sie werden ihm aus der Hand gerissen. Schneller wie die kann man gar nicht rauchen, sie hatten wohl schon geraume Zeit keine Zigaretten mehr gehabt. Sie verschlingen den Qualm und blasen ihn dem hilflosen Kommissar frech ins Gesicht. »Was gibt's noch!?« Der Stärkste durchsucht den Kommissar, findet plötzlich seine Polizeimarke. »Hey, ne Hundemarke!!« Einer der Jungs bekommt Panik, er will dafür sorgen, daß der Kommissar tot ist und nicht mehr aussagen kann vor Gericht. Er zieht eine Knarre und drückt sofort ab. Die Kugel schlägt nervös in den Körper des sich bereits tot fühlenden Kommissars ein. Der Kommissar bricht zusammen. Seine Leiche liegt verlassen auf dem graublauen Straßenbelag. Blut -Autoöl - Staub, der ewige Nieselregen mischt die Farben zu einem einzigartigen Gemälde. Nolde.

    Die Halbstarken sind blitzschnell abgehauen. Der Schuß zerplatzte im Universum wie eine gellende Explosion, fast so schlimm wie der Supermarkt, der in die Luft ging. Die Waffe schmeißen sie in den Fluß. Hechte wundern sich über einen fremdartigen Fisch, der nicht sprechen kann. Wie üblich geht die Putzfrau um dieselbe Zeit wieder nach Hause. Sie hatte wie immer die Treppen des Polizeipräsidiums zuletzt gewienert. Dann hat sie den Bus genommen. Sie steigt an der letzten Haltestelle aus. »Endstation: Koquinox!« hatte der Fahrer gesagt, erschöpft von einem langen Tag. Und jetzt muß er noch zurück ins Depot. Eine Schnitte mit Käse ist sein kärgliches Mahl. Er verschlingt sie hastig, legt den zweiten Gang ein, weil der Bus jetzt leer ist, und donnert mit rappelnden Trittbrettern in Richtung

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