Ziel erfasst
wandte sich an einen Haqqani-Kämpfer.
Der Amerikaner sprach kein Urdu, die Muttersprache General Rehans, aber auch kein Paschtu, die Heimatsprache der Mitglieder des Haqqani-Netzwerks. Als Rehan jetzt englisch sprach, wollte er sichergehen, dass Sam seinen Befehl auch ganz bestimmt verstand.
»Bekomm heraus, was er weiß. Wenn er es dir freiwillig erzählt, richte ihn auf humane Weise hin. Wenn er aber deine Zeit vergeudet, solltest du dafür sorgen, dass er das bereut.«
»Jawohl, General«, antwortete der Turbanträger.
Rehan drehte sich um und zog den Kopf ein, als er durch die niedrige Tür ging.
Vom Boden aus beobachtete Driscoll, wie der General die Ziegelzelle verließ. Als er gegangen war, murmelte Sam: »Du erinnerst dich vielleicht nicht mehr an mich, aber ich erinnere mich an dich, Arschloch.«
44
J ohn Clark stieg morgens um 5.50 Uhr in Arlington, Virginia, aus dem Bus. Mit über den Kopf gezogener Kapuze ging er den North Pershing Drive hinunter. Sein Ziel war der 600er Block der North Fillmore Street. Er nahm jedoch nicht den direkten Weg, sondern ging auf dem Pershing Drive weiter, schlich dann geduckt die Einfahrt eines abgedunkelten zweistöckigen Schindelhauses hinauf und folgte der Grundstücksgrenze bis zum rückwärtigen Zaun. Er kletterte hinüber und folgte dem Zaun bis zu einem Autostellplatz. Direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite lag sein Ziel.
Er ging mit heftig knackenden Knien neben einem Mülleimer in die Hocke und begann, das zweistöckige weiß getünchte Haus zu beobachten.
Es war ein kalter Morgen. Die Temperatur lag bestimmt unter fünf Grad. Aus Nordwesten blies eine eisige Brise herüber. Clark war müde. Er war die ganze Nacht unterwegs gewesen. Von einem Coffeeshop in Frederick über einen Bahnhof in Gaithersburg zu einer Bushaltestelle in Rockville. Danach war er in Falls Church und Tysons Corner in andere Busse umgestiegen. Er hätte auch eine direktere Route nehmen können, aber er wollte nicht zu früh ankommen. Ein Mann, der an einem Werktag frühmorgens auf der Straße ging, fiel weniger auf als ein Mann, der mitten in der Nacht zu Fuß durch ein Wohnviertel unterwegs war.
Dies galt vor allem, wenn er es mit erfahrenen Spähern zu tun hatte.
Von seinem gegenwärtigen Standort zwischen einem Saab und einem Mülleimer aus, der offensichtlich bis oben hin mit schmutzigen Windeln gefüllt war, sah Clark keine Überwachungsmannschaft, die das weiß getünchte Haus auf der anderen Seite der schmalen North Fillmore Street beobachtet hätte, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie da war. Sie würden vermuten, dass er den Mann besuchen wollte, der dort drüben wohnte. Wahrscheinlich hatten sie ein mit zwei Mann besetztes Auto in eine Einfahrt irgendwo in dieser Straße gestellt. Wenn der Eigentümer herauskäme, um zu sehen, wer zum Teufel da in seiner Einfahrt parkte, würden die Späher ihren FBI-Ausweis zücken, und die Sache wäre erledigt.
Er musste zwanzig Minuten warten, bis im ersten Stock ein Licht anging. Einige Minuten später machte jemand auch im Erdgeschoss das Licht an.
Clark wartete weiter. Als ihm das Bein einschlief, setzte er sich für einen Moment auf die Umgrenzungsmauer des Stellplatzes, um es strecken zu können.
Genau in diesem Moment öffnete sich die Eingangstür des Hauses. Ein Mann in einer Windjacke kam heraus und begann langsam die Straße hinunterzujoggen.
Clark stand leise auf und ging durch die beiden Hinterhöfe zurück zum Pershing Drive.
Zuerst vergewisserte sich John Clark, dass niemand dem CIA-Archivar James Hardesty folgte, bevor er ihm hinterherjoggte. Inzwischen drehten noch ein paar weitere Männer und Frauen aus diesem Viertel ihre morgendliche Fitnessrunde, sodass Clark nicht weiter au f fiel. Das galt allerdings nur so lange, wie die Straßenlaternen die einzige Beleuchtung waren. Johns schwarze Plastik-Kapuzenjacke war zwar für einen Jogger durchaus passend, aber seine khakifarbenen Chinohosen und seine Vasque-Stiefel waren nicht gerade die typische Bekleidung eines Hobbyläufers.
Er überholte Hardesty auf dem South Washington Boulevard auf Höhe des Towers Parks. Der CIA-Mann schaute einen Augenblick über die Schulter, als er hörte, wie sich ihm ein Jogger von hinten näherte. Er machte Platz, um den Schnelleren vorbeizulassen. Doch stattdessen sprach ihn dieser Mann an: »Jim, ich bin’s, John Clark. Lauf weiter. Lass uns ein Stück in den Park hineinjoggen. Ich muss mit dir sprechen.«
Ohne
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