Ziel erfasst
die sich in der vergangenen Nacht angesammelt hatten, achtete er besonders auf die Nachrichten aus Europa.
Moment mal. Hier war etwas Neues. Ryan öffnete eine Datei, die sich im Posteingangsordner eines Analysten des OREA befand, des Office of Russian and European Analysis der CIA. Jack überflog zuerst deren Inhalt. Aber dann erregte etwas sein Interesse, weswegen er die entsprechende Meldung Wort für Wort noch einmal las. Anscheinend informierte jemand vom französischen Inlandsgeheimdienst DCRI einen Kollegen bei der CIA, dass eine »Person von Interesse« an diesem Nachmittag auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle eintreffen werde. Das war an und für sich noch keine große Sache und hätte Jack nicht zu weiteren Nachforschungen veranlasst, wenn da nicht dieser Name gewesen wäre. Die französische Quelle, so hieß es, gebe Anlass zur Vermutung, dass die entsprechende Person jener Mann sei, den die Franzosen nur als Omar 8 kennen würden und der als Rekruteur für den Umayyad-Revolutionsrat tätig sei. Er werde heute Nachmittag um 13.10 Uhr in einer Air-France-Maschine aus Tunis ankommen. Dort würden ihn örtliche Verbindungsmänner abholen und in eine Wohnung im Departement Seine-Saint-Denis unweit des Flughafens bringen.
Für Jack sah es so aus, dass die Frenchies nicht viel über diesen Omar 8 wussten. Sie vermuteten, dass er für den URC arbeitete, aber sie waren offensichtlich nicht sonderlich an ihm interessiert. Auch die CIA wusste kaum etwas über ihn, so wenig, dass der Analyst des OREA sich bisher nicht die Mühe gemacht hatte, die Mail zu beantworten oder die Botschaft an die Pariser CIA-Station weiterzuleiten.
Während weder die CIA noch die DCRI nähere Kenntnisse über diese »Person von Interesse« hatten, wusste Jack Ryan jr. alles über Omar 8. Seine Informationen stammten dabei aus erster Hand. Saif Rahman Yasin, alias der Emir, hatte die Identität von Omar 8 im vergangenen Frühjahr während seines Verhörs durch den Campus »preisgegeben«.
Verhör? Nein … Es war Folter. Ehrlicherweise konnte man es nicht anders bezeichnen. Aber wenigstens in diesem Fall war die Folter wirksam gewesen, effektiv genug, dass sie jetzt wussten, dass Omar 8 in Wirklichkeit Hosni Iheb Rokki hieß. Effektiv genug, um zu erfahren, dass er ein dreiunddreißigjähriger Tunesier war, und effektiv genug, um herauszufinden, dass er kein einfacher Rekruteur des URC, sondern ein wichtiger Unterführer in der Operationsabteilung dieser Organisation war.
Jack fand es sehr seltsam, dass dieser Kerl nach Frankreich einreiste. Er hatte Rokkis Akte so wie die aller bekannten Mitspieler in allen größeren Terrororganisationen viele Male gelesen. Der Bursche war nicht dafür bekannt, außer für Kurzreisen nach Tunis den Jemen oder Pakistan jemals zu verlassen. Aber jetzt flog er doch tatsächlich unter einem bekannten Tarnnamen nach Paris.
Äußerst seltsam.
Jack hatte diese kleine Informationsperle jetzt richtig wach gemacht. Nein, Hosni Rokki war in der internationalen Terrorwelt kein großer Fisch. Gegenwärtig konnte man nach der ungeheuren Niederlage, die der Campus dem URC versetzt hatte, nur noch einen URC-Mann als ernsthaften Mitspieler auf internationaler Ebene betrachten. Der Name dieses Mannes war Abdul bin Mohammed al-Qahtani, der Kommandeur der Operationsabteilung der Organisation.
Ryan würde für nähere Hinweise auf al-Qahtani alles geben.
Rokki war zwar kein al-Qahtani, aber dass er sich jetzt so weit von seinem normalen Operationsgebiet entfernte, war auf jeden Fall höchst interessant.
Aus einer Laune heraus öffnete Jack auf seinem Desktop einen Ordner, der Unterordner über jeden einzelnen Terroristen, Terrorverdächtigen, Mittelsmann usw. enthielt. Dies war nicht die Datenbank, die bei den Nachrichtendiensten gebräuchlich war. Fast alle Bundesbehörden benutzten das sogenannte TIDE, das Terrorist Identities Datamart Environment. Auch Ryan hatte natürlich Zugang zu dieser riesigen Terrordatensammlung, fand sie jedoch viel zu unhandlich. Außerdem enthielt sie viel zu viele unwichtige Personen, die ihn in keiner Weise interessierten. Mithilfe des TIDE hatte er sich jedoch seine eigene Datenbank aufgebaut, die er scherzhaft Schurkengalerie nannte. Darin waren nur ganz spezifische Informationen über spezifische Personen enthalten. Die meisten restlichen Daten seiner Schurkengalerie hatte er selbst zusammengetragen, wenngleich die übrigen Analysten hier im Campus einige Kleinigkeiten dazu
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