Ziel erfasst
pakistanische Presse durch ihre Quellen in der Regierung schnell, dass an Bord des Zugs Nuklearwaffen gewesen waren. Als binnen Stunden offiziell bestätigt wurde, dass die beiden Nuklearsprengsätze, deren Typ und Sprengkraft nicht spezifiziert wurden, von unbekannten Kräften geraubt worden waren, betonten die höchsten Stellen des Militärs, der Regierung und der pakistanischen Atomenergiekommission PAEC, dass der Diebstahl der Waffen keine schwerwiegenden Konsequenzen habe. Man erklärte, dass die Sprengsätze mit einem sogenannten Fail-Safe-Zündungscode ausgerüs tet seien, der es Unbefugten unmöglich mache, die Nuklear waffen scharf zu machen und auszulösen.
Alle Parteien, die das behaupteten, taten dies nach bestem Wissen und Gewissen, und tatsächlich stimmte es auch. Allerdings behielt eine der beteiligten Parteien eine wichtige Information für sich, die im höchsten Maße relevant war.
Der Direktor der pakistanischen Atomenergiekommission verschwieg seiner Regierung, der Militärführung und der Öffentlichkeit, dass zwei seiner wichtigsten Nuklearphysiker, die diese Zündungscodes überbrücken und die Zündungssysteme rekonfigurieren konnten, im selben Moment wie die Bomben abhandengekommen waren.
Am nächsten Morgen standen die beiden Container, die angeblich der Firma Textile Manufacturing, Ltd. gehörten, auf einem staubigen Betonboden in einer Schulbusreparaturwerkstatt an der Kurban-Rachimow-Straße im nördlichen Teil von Duschanbe. Rehan und Safronow waren beide sehr zufrieden, für diesen Teil ihrer Operation eine solch günstige Örtlichkeit gefunden zu haben. Die ganze Anlage war von einer Mauer umgeben und nur durch ein Eingangstor betretbar. Von den baumgesäumten Straßen aus war deshalb nicht zu erkennen, dass sich fünfzig Ausländer auf dem Gelände aufhielten und arbeiteten. Dutzende von Lastwagen und Schulbussen standen im unterschiedlichsten Erhaltungszustand auf dem Hof herum. Die dagestanischen und pakistanischen Lkw fielen zwischen ihnen auch aus der Luft überhaupt nicht auf. Das große Werkstattgebäude war groß genug, um darin mehrere Schulbusse gleichzeitig reparieren zu können. Für die Bomben reichte der Platz allemal aus. Außerdem gab es auf dem Gelände zahlreiche Motorheber, Werkstattkräne und Hebegestelle, die eigentlich für die Montage schwerer Schulbusmotoren gedacht waren.
Die einzigen Männer, die nicht einfach so herumstanden, sondern wirklich etwas taten, waren die beiden Physiker, die sonst für die pakistanische Atomenergiekommission tätig waren. Daheim in Pakistan wurden sie bereits vermisst. Die wenigen Menschen, die von ihrem Verschwinden wussten, sie aber nicht persönlich kannten, nahmen an, sie seien von Terroristen entführt worden. Wer sie jedoch kannte, glaubte keinen Augenblick daran, dass sie jemand erst dazu zwingen musste. Fast alle ihre Kollegen wussten, dass sie radikale Islamisten waren. Einige hatten das akzeptiert, bei anderen hatte das ein gewisses Unbehagen verursacht. Trotzdem hatten sie dazu geschwiegen.
Beide Gruppen vermuteten jetzt, dass sie in die Sache verstrickt waren.
Tatsächlich waren die beiden Physiker, Dr. Nishtar und Dr. Noon, der festen Ansicht, dass Pakistans Nuklearwaffen kein Eigentum der Zivilregierung seien. Auch sollten sie nicht mit hohem Kostenaufwand – von den Gefahren ganz zu schweigen – hergestellt und gelagert werden, nur um dann als eine Art hypothetisches Abschreckungsmittel, als unsichtbare Schachfigur, zu dienen. Nein. Pakistans Atomwaffen gehörten der Umma, der Gemeinschaft der Muslime. Sie sollten deshalb dem Wohl aller Gläubigen dienen.
Die beiden Physiker waren Riaz Rehan treu ergeben, und sie waren sich sicher, dass jetzt der richtige Zeitpunkt war, weil er ihnen das sagte. Noon und Nishtar verstanden nicht alles, was da um sie herum vor sich ging, aber ihre Aufgabe war ihnen klar. Sie mussten die Waffen einsatzbereit machen und den Einbau in die Nutzlastcontainer überwachen. Danach würden sie mit dem ISI-General nach Pakistan zurückkehren und dort untertauchen, bis Rehan ihnen verkündete, es sei jetzt für sie sicher, wieder an die Öffentlichkeit zu treten, um als Helden des Staates geehrt zu werden.
Noon und Nishtar arbeiteten jetzt bereits mehr als drei Stunden in der kalten Werkstatt. Ab und zu wärmten sie ihre Hände über einem Brikettofen auf, der in einer Ecke stand. Gerade entfernten sie die nuklearen Sprengsätze aus ihren Mk84-Bombenhüllen. Dies war notwendig, damit
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