Ziel erfasst
ich zu einem ungelegenen Zeitpunkt an?«
Melanie schüttete beinahe den Rest ihres Kaffees über ihre Computertastatur. Mary Pat Foley war in der amerikanischen Geheimdienstgemeinschaft eine Legende. Sie genoss einen überragenden Ruf, und es war unmöglich, den Einfluss zu überschätzen, den sie aufgrund ihrer Karriere auf die US-Außenpolitik und auf die Akzeptanz der Frauen bei der CIA gehabt hatte.
Melanie hatte Mrs. Foley noch nie persönlich getroffen, obwohl sie seit ihren Studientagen an der American University mehr als ein Dutzend Mal Vorträge von ihr gehört hatte. Erst neulich hatte Melanie an einem Seminar teilgenommen, in dem Mary Pat CIA-Analysten die Arbeit ihres National Counterterrorism Center geschildert hatte.
Melanie stotterte verwirrt: »Ja, Ma’am …«
»Ich rufe also zu einem ungelegenen Zeitpunkt an?«
»Nein, nein, Entschuldigung. Ihr Anruf kommt keineswegs ungelegen.« Der jungen Analystin gelang es, ihrer Stimme trotz ihrer Emotionen einen professionellen Ausdruck zu verleihen. »Was kann ich für Sie tun, Mrs. Foley?«
»Ich wollte Sie einfach mal anrufen. Ich habe Ihre Abhandlung gelesen.«
»Oh.«
»Sehr interessant.«
»Danke … Wieso?«
»Was für eine Reaktion haben Sie von den Graubärten im sechsten Stock bekommen?«
»Nun«, sagte Melanie und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. »Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich eine gewisse Ablehnung erfahren habe.«
Mary Pat wiederholte das Wort ganz langsam: »Ablehnung.«
»Jawohl, Ma’am. Ich hatte zwar eine gewisse Zurückhaltung von diesen Leuten erwartet …«
»Kann ich das so auffassen , dass man Ihnen einen Tritt in den Arsch versetzt hat?«
Melanie Krafts Mund stand einen Moment lang weit offen. Schließlich schloss sie ihn wieder und war dabei so verlegen, als ob Mrs. Foley neben ihr in ihrer Großraum-Box gesessen hätte. Schließlich stammelte sie eine Antwort. »Ich … Ich würde sagen, mein Paper hat mir eine saftige Abreibung eingebracht.«
Es gab eine kurze Pause. »Also, Ms. Kraft, ich meinerseits fand Ihre Studie wirklich brillant.«
Ein Augenblick herrschte Stille. Dann kam ein überraschtes »Danke«.
»Ich habe ein Team beauftragt, Ihren Bericht, Ihre Folgerungen und Ihre Zitate durchzuarbeiten und nach Informationen zu suchen, die für unsere Arbeit hier relevant sind. Tatsächlich habe ich sogar vor, die Studie zur Pflichtlektüre für meine Mitarbeiter zu machen. Über den Bezug zu Ägypten hinaus zeigt sie, dass ein Problem in ganz neuem Licht erscheint, wenn man es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Ich versuche, dies meinen Leuten hier immer wieder nahezubringen, deshalb kommen mir solche konkreten Beispiele aus der Praxis sehr gelegen.«
»Ich fühle mich geehrt.«
»Phyllis Stark kann von Glück sagen, dass Sie für sie arbeiten.«
»Danke.« Melanie wurde gerade bewusst, dass sie sich nur ein ums andere Mal bedankte. Sie konzentrierte sich so sehr darauf, nichts zu sagen, was sie später bereuen würde, dass sie nichts anderes herausbrachte.
»Wenn Sie je daran denken sollten, sich beruflich zu verändern, kommen Sie einfach mal zu einem Gespräch vorbei. Wir sind immer auf der Suche nach Analysten, die nicht davor zurückschrecken, durch das Aufzeigen nackter, harter Tatsachen die Pferde scheu zu machen.«
Plötzlich fand Melanie Kraft ihre Sprache wieder. »Hätten Sie in dieser Woche irgendwann Zeit für mich?«
Mary Pat lachte. »O Gott. Ist es so schlimm?«
»Alle tun so, als ob ich Aussatz hätte, obwohl ich in diesem Fall wohl wenigstens ein paar Genesungswünsche bekommen würde.«
»Verdammt. Kealtys Leute bei Ihnen sind wirklich eine einzige Katastrophe.«
Melanie Kraft gab keine Antwort. Sie hätte Foleys Bemerkung eine volle Stunde lang untermauern können, aber sie hielt lieber den Mund. Das wäre unprofessionell gewesen. Außerdem wollte sie sich auf keine politischen Bemerkungen einlassen.
»Okay«, fuhr Mary Pat fort. »Ich möchte mich wirklich mit Ihnen treffen. Sie wissen, wo wir sind?«
»Ja, Ma’am.«
»Rufen Sie meine Sekretärin an. Diese Woche bin ich ziemlich ausgebucht, aber Anfang nächster Woche könnten Sie einmal vorbeikommen, um mit mir zu essen.«
»Vielen Dank« war wieder alles, was Melanie herausbrachte. Sie legte auf.
Zum ersten Mal seit einer Woche wollte sie weder heulen noch mit der Faust gegen eine Wand schlagen.
8
E s war Nacht, und es regnete. John Clark und Domingo Chavez saßen in ihrem Ford-Minivan
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