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Ziel erfasst

Ziel erfasst

Titel: Ziel erfasst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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irgendwelche tragfähigen Befunde gab, oder glauben Sie, wir sollten das tun, weil … weil Sie einfach der Ansicht sind, das wir das tun sollten?«
    Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
    »Junge Dame, die CIA ist keine Politik gestaltende Organisation.«
    Melanie wusste das. Diese Abhandlung sollte jedoch nicht die US-amerikanische Außenpolitik gegenüber Ägypten in eine bestimmte Richtung steuern, sondern der offiziellen Sicht eine abweichende Meinung entgegensetzen.
    »Ihr Job ist es, die Informationsprodukte zu liefern, die man Ihnen aufgetragen hat«, fuhr Petit fort. »Sie sind kein Mitglied des für die geheime Informationsgewinnung verantwortlichen Clandestine Service. Sie haben Ihre Kompetenzen überschritten, und das auf eine höchst verdächtige Weise.«
    »Verdächtig?«
    Petit zuckte die Achseln. Er war Politiker, und als solcher nahm er an, dass jeder andere über politische Machenschaften genauso dachte wie er. »Ryan führt in den Umfragen. Melanie Kraft führt – zugegebenermaßen in ihrer Freizeit – ihre eigene verdeckte Operation durch und kommt dabei zu Ergebnissen, die ganz zufällig die Ryan-Doktrin stützen.«
    »Ich … ich weiß nicht einmal, was die Ryan-Doktrin ist. Ich interessiere mich nicht für …«
    »Vielen Dank, Miss Kraft. Das ist alles.«
    Sie kehrte völlig gedemütigt in ihr Büro zurück, war aber immer noch zu verwirrt und wütend, um zu weinen. Das tat sie erst abends in ihrem kleinen Apartment in Alexandria. Dort fragte sie sich auch zum ersten Mal, wie sie auf die Idee kommen konnte, dieses Paper zu verfassen.
    Selbst auf ihrer niedrigen Hierarchiestufe und mit ihrem beschränkten Blick auf das große Ganze erkannte sie, dass die CIA-Leute, die ihre Position der Politik zu verdanken hatten, die nachrichtendienstlichen Berichte und Analysen auf eine Weise gestalteten, dass sie den Wünschen des Weißen Hauses entsprachen. War ihr Paper vielleicht doch ihr eigener, kleiner, störrischer Versuch, sich gegen diese Tendenz zu stemmen? Als sie in dieser Nacht über das Treffen im dritten Stock nachdachte, gab sie zu, dass dies wahrscheinlich der Fall war.
    Melanies Vater war Oberst in der Armee und hatte ihr ein starkes Pflicht-und Persönlichkeitsgefühl eingeimpft. Schon früh verschlang sie die Biografien großer Männer und Frauen, meist solcher, die im Militär oder der Regierung tätig gewesen waren. Durch diese Lektüre erkannte sie, dass niemand zu außergewöhnlicher Größe aufstieg, nur weil er ein »guter Soldat« war. Nein, die wenigen Männer und Frauen, die sich von Zeit zu Zeit, und nur wenn es nötig war, gegen das Establishment stellten, hatten letzten Endes Amerika groß gemacht.
    Melanie Kraft hatte bisher nur den einzigen Ehrgeiz gehabt, aus der breiten Masse als Gewinnerin hervorzustechen. Jetzt lernte sie, wozu ein solches Hervorstechen führen konnte. Herausstehende Nägel wurden nicht selten wieder reingehämmert.
    Sie saß in ihrer Großraumbüro-Box, nippte an einem Eiskaffee und schaute auf ihren Bildschirm. Ihr Supervisor hatte ihr am Tag zuvor mitgeteilt, dass ihre Untersuchung aus dem Verkehr gezogen worden war, nachdem sie Petit und andere im sechsten Stock in der Luft zerrissen hatten. Phyllis Stark hatte ihr kurz darauf wütend erzählt, dass der stellvertretende Direktor der CIA Charles Alden höchstpersönlich ein Viertel des Papers gelesen hatte, bevor er es in den Papierkorb warf und fragte, warum zum Teufel die Frau, die es verfasst hatte, immer noch für die Agency tätig war. Ihren Freunden in der Abteilung für Analysen über den Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika tat sie zwar leid, aber sie wollten natürlich keinesfalls ihre Karriere für sie aufs Spiel setzen. Tatsächlich betrachteten sie das Ganze als den Versuch ihrer Kollegin, sie auf der Karriereleiter zu überholen, indem sie in ihrer freien Zeit eigene Nachforschungen anstellte. Sie wurde zum Büro-Paria, der von allen geschnitten wurde.
    Mittlerweile dachte sie daran zu kündigen. Vielleicht fand sie einen Job irgendwo in der Verkaufsbranche, der ihr etwas mehr einbrachte als ihr gegenwärtiges mäßiges Regierungsgehalt. Aber sollte sie wirklich eine Organisation verlassen, die sie liebte, nur weil diese Zuneigung im Moment nicht erwidert wurde?
    Melanies Telefon klingelte, es handelte sich um eine externe Nummer. Sie stellte ihren Eiskaffee auf den Tisch und nahm den Hörer ab. »Melanie Kraft.«
    »Hi, Melanie. Hier ist Mary Pat Foley vom NCTC . Rufe

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