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Ziel erfasst

Ziel erfasst

Titel: Ziel erfasst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Zuhörern seinen Standpunkt deutlich zu machen. Vor allem fand sie es nicht gut, dass sich Jacks Gesicht jedes Mal verfinsterte, wenn er über eine politische Entscheidung oder einen Kommentar Kealtys sprach, mit denen er nicht übereinstimmte – was praktisch auf alles zutraf, das aus dem Weißen Haus kam.
    Vor einiger Zeit hatte sie sich an einem der seltenen Abende, an denen sich ihr Mann daheim kurz von den Wahlkampfstrapazen erholte, zu ihm aufs Bett gesetzt und dabei fast eine Stunde lang die TV-Fernbedienung nicht aus der Hand gegeben. Das wäre für Jack Ryan selbst dann die Hölle gewesen, wenn seine Visage nicht auch noch in allen Sendungen aufgetaucht wäre, die sie aufgenommen hatte. Für einen Mann, der es nur schwer ertrug, im Fernsehen sein Gesicht sehen oder seine Stimme hören zu müssen, war das eine wahre Tortur. Aber Cathy war unerbittlich. Mithilfe ihres Videorekorders schaltete sie von einer Pressekonferenz zur nächsten, von tiefgründigen Interviews mit den bekannten Moderatoren der großen Fernsehanstalten zu spontanen Kurzgesprächen mit Schülerreportern in irgendwelchen Einkaufszentren.
    Auf jedem dieser Clips veränderte sich Jack Ryans Gesichtsausdruck, wenn Kealty oder seine Politik erwähnt wurden. Dabei verzog er nicht einmal verächtlich das Gesicht. Nach Jacks Ansicht hätte er dafür eigentlich eine Medaille verdient, wenn man bedachte, wie empört er über jede wichtige Entscheidung war, die die Kealty-Regierung in letzter Zeit gefällt hatte. Trotzdem konnte er nicht leugnen, dass Cathy recht hatte. Wann immer ein Interviewer eine Entscheidung Kealtys ins Gespräch brachte, verengten sich Jacks Augen und spannten sich seine Kinnmuskeln erkennbar an. Oft schüttelte er ein einziges Mal heftig den Kopf, als ob er nein sagen wollte.
    Cathy spulte dann das Video zu einer Szene zurück, die Jack auf einem Barbecue in Fort Worth zeigte. Er hielt dabei in der einen Hand einen Papierteller mit einem Stück Ochsenbrust und einem Maiskolben und in der anderen einen Eistee. Eine Kameracrew von C-SPAN , dem amerikanischen Parlamentsfernsehen, die ihm die ganze Zeit gefolgt war, hatte dann das Gespräch mit einer Frau mittleren Alters eingefangen, in dem diese sich über Kealtys Vorhaben ausließ, die Öl-und Gasindustrie noch weiter zu regulieren.
    Als die Frau über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten klagte, die ihre Familie gegenwärtig durchmachte, spannten sich Jacks Kinnmuskeln an, und er schüttelte den Kopf. Erst danach drückte seine Körpersprache Mitgefühl aus. Diese erste wütende Reaktion führte ihm Cathy noch einmal vor Augen, indem sie genau in diesem Moment den Pausenknopf drückte und seinen Gesichtsausdruck in einem Standbild festfror.
    Während sie beide so auf dem Bett saßen, wollte Jack Ryan die Stimmung etwas auflockern . »Man sollte mir wenigstens teilweise zugutehalten, dass mir in dieser Situation die Bohnen nicht wieder hochgekommen sind, die ich gerade gegessen hatte. Wir haben immerhin über die zunehmende bürokratische Gängelung unserer Wirtschaft gesprochen.«
    Cathy lächelte, schüttelte jedoch den Kopf. »Wenn dir die Leute etwas teilweise zugutehalten, wird dich das dieses Mal nicht ins höchste Amt unseres Landes bringen, Jack. Du bist auf der Gewinnerstraße, aber du hast noch nicht gewonnen.«
    Jack nickte. Er gab sich geschlagen. »Ich weiß. Ich werde daran arbeiten, versprochen!«
    Und tatsächlich. Gerade jetzt im Umkleideraum der Case Western Reserve University arbeitete er daran. Vor dem Spiegel versuchte er ein fröhliches Gesicht aufzusetzen, während er gleichzeitig an die Familie dieser armen Frau dachte, die in einem wirtschaftlichen Umfeld keine Arbeit finden konnte, das allmählich die gesamte Industrie erstickte.
    Hoch das Kinn, ein leichtes Nicken, entspannte Augen, kein Zwinkern.
    Igitt, dachte Jack. Das wirkt richtig unnatürlich.
    Er seufzte. Nicht zum ersten Mal sah er ein, dass diese unnatürliche Wirkung bedeutete, dass Cathy recht hatte und er eigentlich nur Gesichter schnitt, seitdem er seinen Hut in den Ring geworfen hatte.
    Er hatte allerdings die Sorge, dass eine Diskussion über Außenpolitik mit dem leibhaftigen Kealty eine gewaltige Herausforderung für seine Selbstbeherrschung werden könnte.
    Jack probierte noch einmal sein fröhliches Gesicht aus. Er musste daran denken, dass Cathy diese Debatte in der ersten Reihe beobachten würde.
    Er lächelte auf unnatürliche Weise den Spiegel an. Und noch einmal. Und noch ein

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