Ziel erfasst
drittes Mal.
Erst das vierte Lächeln wirkte echt. Er musste beinahe lachen. Er konnte es kaum unterdrücken. Ein erwachsener Mann, der vor einem Spiegel steht und Gesichter zieht.
Er prustete endgültig los. Die Politik war in letzter Konsequenz eine verdammt lächerliche Angelegenheit.
Jack Ryan sr. schüttelte den Kopf und ging zur Tür. Noch ein letzter langer Seufzer, ein letzter Vorsatz, dass er heute sein fröhliches Gesicht aufsetzen würde, und er drehte den Türknopf.
Draußen auf dem Gang setzten sich seine Leute in Bewegung. Andrea Price-O’Day stellte sich genau hinter seine Schulter. Der Rest seines Sicherheitsteams bildete um ihn herum eine Diamantformation und geleitete ihn auf die Bühne.
»Swordsman ist unterwegs«, sprach Price-O’Day in ihr Ansteckmikrofon.
19
E d Kealty und Jack Ryan traten aus entgegengesetzten Seiten auf die Bühne, die in helles Scheinwerferlicht getaucht war. Sie wurden mit höflichem Applaus begrüßt. Das Publikum bestand aus Studenten, Pressevertretern sowie Bürgern, die sich irgendwie Karten beschaffen konnten. Die beiden Kandidaten trafen sich in der Mitte. Vor Jacks innerem Auge tauchte ganz kurz das Bild zweier Boxer auf, die vor dem Kampf ihre Handschuhe aneinanderschlagen. Stattdessen schüttelten sie sich nur höflich die Hand. Ryan lächelte, begrüßte den andern mit »Mr. President« und nickte ihm zu. Kealty nickte zurück und schlug Ryan mit der rechten Hand auf die Schulter, während sich beide Männer zum runden Tisch begaben.
Ryan wusste, dass Ed Kealty in diesem Moment am liebsten ein Springmesser in der Hand gehabt hätte.
Die beiden Kontrahenten setzten sich an den kleinen Konferenztisch. Vor ihnen saß der CBS-Evening-News- Moderator Joshua Ramirez, ein jugendlich aussehender Fünfzigjähriger, der sein Haar zurückgegelt hatte. Seine modische Brille spiegelte das glänzende Scheinwerferlicht wider und blendete Ryan auf unangenehme Weise in den Augen. Eigentlich mochte Jack Ramirez sogar. Er war klug und umgänglich, wenn die Kameras ausgeschaltet waren, und ziemlich professionell, wenn sie liefen. CBS hatte Ryan während seiner ersten Präsidentschaft nicht gerade freundlich behandelt, und auch in diesem Wahlkampf unterstützten sie Kealty. Josh Ramirez war dabei jedoch nur ein Fußsoldat in ihrer Armee, wenn nicht sogar ein Handlanger, und Ryan war ihm deshalb nicht böse.
Die Presse hatte Ryan bereits so ausdauernd in die Mangel genommen, dass er es nicht mehr persönlich nahm. Einiges, was die Medien über ihn gesagt und geschrieben hatten, war jedoch ein übler Angriff auf seine Person gewesen. So hatte man ihm vorgeworfen, er habe den älteren Menschen ihr Geld gestohlen oder er nehme den Schulkindern ihr Mittagessen weg.
Jack Ryan, Sie sind ein übler Mensch … aber das ist nicht persönlich gemeint.
Ist schon gut.
Ramirez war jedenfalls nicht so schlimm wie einige andere. Die Medien standen in diesem Wahlkampf im Allgemeinen auf Kealtys Seite. Vor einigen Wochen hatte ein Teilnehmer einer Kealty-Versammlung in Denver die Frechheit besessen, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu fragen, wann dessen Meinung nach die Benzinpreise so weit sinken würden, dass er sich mit seiner Familie wieder eine Autoreise leisten könne. Kealtys Wahlkampfmanager hatten bestimmt aufgestöhnt, als dieser über diese Frage eines schlichten Manns aus dem Volk nur den Kopf schüttelte und ihm vorschlug, sich doch einfach ein Hybridauto zu kaufen.
Weder die großen Zeitungen noch die Fernsehsender hatten dieses Zitat je gebracht. Ryan bezog sich am nächsten Morgen in einer Elektromotorenfabrik in Allegheny, Pennsylvania, darauf, als er anmerkte, Kealty habe wohl vergessen, dass eine Familie, die sich keinen vollen Benzintank leisten könne, wohl kaum das Geld habe, sich ein neues Auto zu kaufen.
Als Jack fünf Minuten später in seinen Geländewagen stieg, um die Fabrik zu verlassen, hatte Arnie van Damm nur den Kopf geschüttelt. »Jack, du hast gerade einen großartigen Spruch geäußert, den allerdings nie jemand außer diesen Leuten in der Fabrik hören wird.«
Arnie hatte recht. Keiner hatte später darüber berichtet. Van Damm hatte Ryan auch vorausgesagt, dass die Mainstream-Medien einen eventuellen sprachlichen Lapsus Ed Kealtys nie gegen diesen verwenden würden. Sollte Jack jedoch jemals bei einer unpassenden oder falschen Bemerkung erwischt werden, würde sie ihm die ganze Presse gnadenlos um die Ohren hauen.
Das linksliberale
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