Ziel erfasst
Vorurteil der amerikanischen Medienlandschaft war eben eine Naturtatsache wie Regen und Kälte. Ryan akzeptierte das, ließ sich davon jedoch nicht weiter beeindrucken.
Ramirez eröffnete die Debatte, indem er die Regeln erklärte. Es folgte eine kleine Geschichte über die Streitereien seiner Grundschulkinder, die er mit der mehr oder weniger witzigen Bemerkung abschloss, dass die beiden vor ihm sitzenden erwachsenen Männer sich ganz bestimmt »gut benehmen« würden. Dann stellte der Moderator die ersten Fragen.
Er begann mit Russland, ging über China zu Mittelamerika über und behandelte dann die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu ihren weltweiten Verbündeten und zur NATO . Ryan und Kealty sprachen bei ihren Antworten den CBS-Moderator direkt an. Sie vermieden jeden offenen Streit und stimmten sogar bei einigen Themen überein.
Der internationale Terrorismus kam erst im zweiten Teil der neunzigminütigen Debatte zur Sprache. Ramirez lieferte Kealty eine Steilvorlage, indem er als Erstes einen kürzlich erfolgten Drohnenangriff im Jemen ansprach, bei dem ein Al-Qaida-Kämpfer getötet wurde, nach dem wegen des Bombenattentats auf einen Nachtklub in Bali gefahndet worden war.
Kealty versicherte dem amerikanischen Volk, dass er nach seiner Wiederwahl seine Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik fortsetzen werde. Er werde sich mit jedem, ob Freund und Feind, an einen Tisch setzen, der zu Verhandlungen mit Amerika bereit sei. Gleichzeitig werde er Amerikas Feinde vernichten, wenn sie sich solchen Verhandlungen verweigerten.
Ramirez wandte sich jetzt an Ryan: »In Ihrem Wahlkampf versuchen Sie sich als ein Kandidat zu präsentieren, der für Amerikas Kampf gegen seine Feinde der beste Mann wäre. Allerdings gab es in Ihrer Präsidentschaftszeit weniger gezielte Tötungen hochrangiger Terroristen als während Präsident Kealtys erster Amtszeit. Sind Sie bereit zu akzeptieren, dass Ihnen der Titel des erfolgreichsten Terroristenjägers nicht länger zusteht?«
Ryan nahm einen Schluck Wasser. Er merkte, wie sich links von ihm Kealty ganz leicht zu ihm hinüberbeugte, so als wollte er betonen, wie wichtig ihm die Antwort auf diese Frage sei. Jack konzentrierte sich jedoch nur auf Ramirez und sagte: »Zweifellos haben Präsident Kealtys Drohnenangriffe ein paar führende Terroristen ausgeschaltet, insgesamt jedoch nur wenig für den erfolgreichen Krieg gegen den Terrorismus geleistet.«
Kealty lehnte sich in seinem Stuhl zurück und tat mit einer Handbewegung diese Aussage als völlig widersinnig ab.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Wenn ich in meinen fünfunddreißig Jahren im öffentlichen Dienst eines gelernt habe, dann das, dass fundierte Informationen der Schlüssel zu einer guten Entscheidungsfindung sind. Wenn wir uns schon die Mühe machen, irgendeinen Terroristenführer aufzuspüren, in dessen Kopf sich ungeheuer wertvolle Informationen befinden, sollten wir ihn nur dann in die Luft sprengen, wenn es gar nicht anders geht. Ein unbemanntes Flugobjekt ist eine wichtige Waffe, aber nur eine von vielen Waffen, ein Werkzeug, das wir meiner Meinung nach viel zu oft einsetzen. Wir müssen die harte Arbeit ausnutzen, die unsere Soldaten und Geheimdienstleute erledigen mussten, um die Zielperson erst einmal aufzuspüren, und dann müssen wir uns bemühen, diese Zielperson abzuschöpfen.«
»Sie abschöpfen?«, fragte Ramirez erstaunt. Er hatte wirklich nicht erwartet, dass Ryan die Strategie der gezielten Tötungen durch Drohnen infrage stellen würde.
»Jawohl. Abschöpfen. Anstatt den Mann umzubringen, müssen wir herausfinden, was er weiß, wen er kennt, wo er gewesen ist, wohin er unterwegs war, was er plant und was es sonst noch zu wissen gibt.«
»Und wie wird ein Präsident Jack Ryan dies anstellen?«
»Unsere Geheimdienste und unser Militär sollten die Genehmigung erhalten, diese Leute, wenn möglich, in Gewahrsam zu nehmen, und wir sollten auf die Regierungen, die diesen Leuten Unterschlupf gewähren, Druck ausüben, damit sie sie dingfest machen und uns übergeben. Wir müssen unseren Streitkräften und den Truppen unserer Verbündeten, unserer wahren Verbündeten, dazu die Mittel und die politische Unterstützung verschaffen. Genau das hat Präsident Ed Kealty versäumt.«
»Und wenn wir sie dann haben?« Zum ersten Mal während dieser Debatte mischte sich Kealty ungefragt in die Gesprächsführung ein und richtete sich dabei auch noch direkt an Ryan. »Was schlagen Sie denn vor? Ihnen Bambussprossen
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