Ziel erfasst
keinen Besuch mehr abgestattet. Jack, warum rufen Sie sie nicht an und führen sie zum Essen aus? Danach können Sie sie nach Liberty Crossing zurückbringen und ihr die Verbindung zwischen Mir und Rehan darlegen. Ich wette, sie findet das äußerst interessant.«
»Ich rufe sie noch heute an.«
»Okay. Erzählen Sie ihr jedoch nichts von unseren Quellen und Methoden.«
»Klar.«
»Und Jack? Was immer Sie tun, erwähnen Sie nicht, dass Sie gerade aus Paris zurückgekehrt sind.«
Der ganze Konferenzraum brach in ein müdes Gelächter aus.
23
D er Mietwagen der einundsechzigjährigen Judith Cochrane war mit einem fest eingebauten GPS ausgerüstet, das sie jedoch für die fünfundsechzig Kilometer lange Fahrt überhaupt nicht brauchte. Sie kannte den Weg von Colorado Springs zur Adresse State Highway 67, Nr. 5880, da sie ihn schon oft zurückgelegt hatte, um Klienten zu besuchen.
Ihr gemieteter Chrysler bog von der South Robinson Avenue ab und hielt vor dem ersten Tor des ADX Florence an. Die Wachen kannten sie zwar mittlerweile, kontrollierten jedoch trotzdem sorgfältig ihre Dokumente und ihren Ausweis.
Es war für einen Anwalt gar nicht so einfach, einen Klienten in Florence zu besuchen. Es war jedoch noch weit schwieriger, einen Klienten zu besuchen, der im H-Trakt untergebracht war. Einen Range-13-Gefangenen von Angesicht zu Angesicht zu treffen war fast unmöglich. Cochrane und die Progressive Constitution Initiative bereiteten zwar gerade eine gerichtliche Klage vor, die diesen Zustand ändern sollte, aber im Augenblick blieb ihr nichts anderes übrig, als die Regeln des Höchstsicherheitsgefängnisses zu befolgen.
Als regelmäßige Besucherin des ADX Florence war Judith gut vorbereitet. Sie hatte heute in ihrer Handtasche nichts Wertvolles dabei, weil sie diese in einem Schließfach deponieren musste. Außerdem hatte sie auf Laptop und Handy verzichtet, weil man ihr beides sofort abgenommen hätte. Sie trug bequeme Schuhe, da sie auf ihrem Weg vom Verwaltungstrakt zur Zelle ihres Klienten Hunderte Meter durch lange Gänge und überdachte Außenpassagen zu Fuß gehen musste. Sie hatte für diese Gelegenheit einen besonders konservativen Hosenanzug angezogen, damit ihr der Gefängnisdirektor den Zugang nicht mit der vorgeschobenen Begründung verweigern konnte, sie sei zu aufreizend gekleidet.
Sie wusste, dass sie mehrere Röntgenmaschinen und Ganzkörper-Scanner durchlaufen musste. Aus diesem Grund hatte sie die Gefängnisordnung für Besucher befolgt und heute Morgen keinen Bügel-BH angezogen.
Sie fuhr am Wächterhäuschen vorbei und eine lange hohe Mauer entlang. Auf der Ringstraße in Richtung Süden musste sie noch einige weitere automatische Tore passieren. Auf ihrer langsamen Fahrt kam sie an unzähligen Wachttürmen, Männern mit Schrotflinten und Maschinenpistolen, Deutschen Schäferhunden und Sicherheitskameras vorbei. Schließlich bog sie in den großen, nur halb vollen Parkplatz vor dem Verwaltungstrakt ein. Hinter ihr stiegen jetzt an der Parkplatzeinfahrt eine Reihe hellgelber, hydraulisch betriebener Eisenspitzen aus Schlitzen im Beton empor. Sie würde erst wieder herausfahren können, wenn es ihr die Wachleute gestatteten.
Eine Gefängniswärterin holte sie von ihrem Wagen ab. Zusammen betraten sie durch eine Reihe von Sicherheitsschleusen das Verwaltungsgebäude des Gefängnisses. Dabei wechselten die beiden kein einziges Wort. Die Wärterin bot der viel älteren Frau auch nicht an, ihre Tasche zu tragen oder ihren kleinen Rollkoffer zu schieben.
»Ein wunderschöner Morgen«, sagte Judith Cochrane, als sie einen blitzsauberen weißen Flur entlanggingen.
Die Wärterin ignorierte ihren Kommentar und setzte ihren Weg unbeirrt fort.
Die meisten Wärter im ADX Florence hielten nicht viel von Anwälten, die die hier eingesperrten Verbrecher verteidigten. Cochrane war das egal. Sie konnte ihr Gepäck selbst schleppen. Außerdem zog sie seit Langem den Kon takt zu den Insassen von Hochsicherheitsgefängnissen dem zu ihren Wächtern vor, die ihrer Meinung nach sowieso nur ungebildete Schlägertypen waren.
Ihre Weltsicht war so düster und unbarmherzig wie einfach. Gefängniswärter, Soldaten, Polizisten und bewaffnete Bundesagenten waren alle vom selben Schlag. In ihrer Welt waren sie die Schurken.
Nach ihrem Jurastudium und ihrer Anwaltszulassung in Kalifornien wurde Judith Cochrane vom Zentrum für Verfassungsrechte engagiert, einer gemeinnützigen Rechtshilfeorganisation, die
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