Zielstern Beteigeuze
ist, daß dort am meisten passiert.“
„Das ist absurd“, entgegnete Atacama heftig. „Wir sind für so etwas überhaupt nicht ausgerüstet, weder technisch noch personell. Und dann haben wir ja wohl auch noch eine gewisse Verantwortung für Leben und Gesundheit unserer Kollegen.“
„Ach ja?“ sagte Hirosh ironisch, und er ließ eine lange Pause hindurch diesen Vorwurf wirken und deutlicher und immer deutlicher werden; denn, nicht wahr, wer hatte bisher Leben und Gesundheit der Besatzung am meisten gefährdet? Es war keine sehr feine Bemerkung, die Hirosh da gemacht hatte, und die anschließende Pause war ebensowenig fein, aber er hoffte, das würde es ihm ersparen, Vorwürfe zu formulieren und sie damit protokollkundig zu machen.
So fuhr er dann mit leichter Stimme fort: „Wenn wir nicht dafür gerüstet sind, dann laßt uns doch dafür sorgen, daß die uns folgende Expedition besser vorbereitet ist - und je mehr wir in Erfahrung bringen, um so effektiver wird sie sein. Und was nun die Verantwortung für Leben und Gesundheit betrifft, möchte ich...“, er legte wieder eine Pause ein, um deutlich zu machen, daß sich dazu noch viel mehr und auch ganz anderes sagen ließ als das, was er vorzubringen beabsichtigte, „... möchte ich mal folgende Merkwürdigkeit zu bedenken geben: Da ich ja selbst von Physik wenig verstehe, habe ich mir von meinen Freunden ausrechnen lassen, welche Leistung allein die Aufrechterhaltung der geringeren Schwerkraft in der Troposphäre des Planeten darstellt, und siehe, es handelt sich um eine Leistung, die die Strahlungsleistung des Beteigeuze um ein mehrfaches übertrifft. Und inmitten dieser zermalmenden Gewalten strampeln nun wir Menschlein herum. Ist es da nicht sehr merkwürdig, daß wir bisher nur ein paar Sachschäden zu beklagen haben und daß auch die vermeidbar gewesen wären?“
Einen Augenblick lang hatte Kiliman, der ja die Debatte leitete, befürchtet, sie würde sich zerfasern. Jetzt aber fühlte er deutlich, sie
würde neue Gedanken hervorbringen, ja vielleicht sogar Ansätze für eine neue Konzeption, die sich in der Richtung mit den sehr riskanten und fast fragwürdigen Vorschlägen deckte, die er noch nicht ausgesprochen, aber wohlüberlegt und lange erwogen hatte.
Während also der Streit hin und her wogte, wobei Atacamas Vorwürfe der Unwissenschaftlichkeit immer mehr Kraft verloren,
versuchte Kiliman eine Formulierung zustande zu bringen, die als Aufgabe über dem künftigen Arbeitsabschnitt stehen konnte und zugleich die Einheit herstellte mit dem personellen Vorschlag, den er zu unterbreiten gedachte.
Als der Streit sich erschöpft hatte, nahm er das Wort.
„Es scheint mir, daß sich in der Auseinandersetzung so etwas wie eine neue Konzeption für unsere Arbeit herausgebildet hat. Sie ist
vielleicht insofern etwas ungewöhnlich, als sich kein Ziel angeben
läßt, dessen Erreichung abgerechnet werden kann. Trotzdem glaube ich, man könnte etwa so sagen: Raumschiff und Basisfähre
produzieren auf dem Boden des Planeten den Energieträger für die
Rückfahrt während der nächsten einundzwanzig Tage. Während der darauffolgenden sieben Tage wird im Orbit des Planeten der
Transitteil durchgesehen. Während der gesamten Zeit werden personell und materiell alle Möglichkeiten genutzt, die Besonderheiten des Planeten und des stellaren Systems zu erkunden, um Material für die Aufgabenstellung künftiger Expeditionen zu sammeln.“
Hirosh nickte Kiliman zu, er fand diese Konzeption durchaus praktikabel und vertretbar. Woleg fand sie ein bißchen unkonkret,
aber da sie sich im wesentlichen mit seinen Wünschen und Vorstellungen deckte, nickte er ebenfalls. Atacama hätte am liebsten
eingewendet: Aber so was enthält doch keinerlei Grundlage für Leiterentscheidungen, wer da den Chef macht, ist vor eine nervenzerfetzende Aufgabe gestellt, allein die Prioritäten, die er jeden Tag neu festlegen muß! Aber da sie nicht dieser Chef sein würde, resignierte sie. Vielleicht war das kleinmütig von ihr, aber andererseits würde sie natürlich helfen, sie würde den neuen Chef unterstützen, falls der das wollte, nur, wer dieser Mensch sein sollte, wer die Fähigkeit hatte, mit diesem drohenden Durcheinander fertig zu werden und dabei noch wissenschaftliche Arbeit zu leisten - das war ihr absolut unklar.
„Da diese Arbeit“, fuhr Kiliman fort, „einen anderen Charakter hat als die bisherige, sie ähnelt weniger den üblichen Tätigkeiten in den
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