Zielstern Centauri
Freiheit! Die Freiheit zu tun, was sie wollten.
Docchi hatte Mühe, Jordan zu folgen. Der ganze Platz lag wie ausgestorben. Jeder schlief.
„Das muß sich ändern“, sagte Docchi.
„Wir sind schon so lange als Invaliden behandelt worden, daß wir fast selbst daran glauben. Wir werden uns in zwei Gruppen teilen. Von nun an muß immer jemand wachen – arbeiten und wachen.“
Das war notwendig. Leerer Raum – aber wie leer? Das Gebiet nahe der Sonne war bekannt. Was kam dann? Zwischen hier und Alpha Centauri konnte sich jede beliebige interstellare Masse befinden, die groß genug war, den Asteroiden zu zertrümmern. Vorsichtsmaßnahmen waren angeraten.
Plötzlich hielt Jordan an und deutete auf den Boden vor sich. Die Gestalt, die dort lag, war eine der vielen Nonas, die ihre Maske noch nicht wieder entfernt hatte. Die Kosmetiker hatten gute Arbeit geleistet, und es war schwierig, sie zu identifizieren. Sie lag in einer unbequemen Stellung, und es war zu erkennen, daß sie nicht freiwillig hier war.
Jordan kletterte vom Roboter und schüttelte sie. „Sie braucht ärztliche Hilfe“, sagte er. Das Mädchen bewegte sich leicht, ihre Lider zuckten, und sie flüsterte etwas.
„Frag sie nach ihrem Namen“, riet Docchi. Aber das war unmöglich, sie war in eine neue Ohnmacht gefallen.
„Sie sagte nichts außer einem Wort“, antwortete Jordan hilflos. „Nahrung. Sonst nichts.“
Nahrung! Docchi kniete nieder, um seine Vermutungen zu bestätigen. Es war Jeriann, die erste der Nonas.
Er konnte sich ausrechnen, was geschehen war. Nachdem Cameron herausgefunden hatte, wer sie war, hatte er sie einsperren und versorgen lassen. Als die Sache weiter und weiter ging, war es ihr gelungen, zu entfliehen und sich vor den Wachen zu verstecken. Aber sie hatte zu lange gewartet. Auf ihrem Weg zum Hospital war sie zusammengeklappt. Ihre zehn Stunden waren um, und sie war nahe am Verhungern.
Sie brachten sie zur Klinik. In der Apotheke hatte jemand sämtliche Arzneien aus den Fächern gezerrt. In hoffnungslosem Durcheinander lagen sie auf dem Boden verstreut. Sie waren nur mit einigen Zeichen versehen, die Docchi aber nichts sagten.
Verzweifelt starrten sie auf die mutwillige Zerstörung im Raum.
„Es ist unmöglich, hier das Richtige auszuwählen“, sagte Jordan hoffnungslos. „Wir müssen jemand ausfindig machen, der die Medikamente kennt.“
„Dazu haben wir keine Zeit. Jede Minute ist kostbar“, erwiderte Docchi ungeduldig. Er begann, alle Absorptionskapseln herauszusuchen. Für Jeriann waren die Tabletten Nahrung. Sie konnte weder essen noch trinken. Daher mußte sie mehrmals täglich auf medizinischem Wege ernährt werden. Absorptionskapseln waren die einzige Möglichkeit.
Sie sahen fast aus wie gewöhnliche Tabletten, abgesehen von der einen Seite, die sich so weich anfühlte wie menschliches Fleisch. Und – richtig angewandt – wurden sie zu solchem. Außerdem war an einer Seite ein dünner Film angebracht. Wenn dieser abgetrennt und die freigegebene Oberfläche fest auf den Körper gepreßt wurde, konnte die Kapsel nur operativ wieder beseitigt werden.
Sie legten alle ausgewählten Tabletten nebeneinander und betteten Jeriann so, daß sie sie sehen konnte, wenn sie aufwachte.
Dann brachten sie das Mädchen durch Schläge zur Besinnung.
„Welche?“ fragte Jordan, als ihre Augen sich zuckend öffneten, und ergriff die, auf die sie zu zeigen schien.
„Diese?“ Ihre Augen fielen zu. Sie konnte nicht mehr antworten.
Es war nicht sicher, ob sie Erfolg haben würden. Aber so gering die Chance war, sie mußte wahrgenommen werden.
Jordan setzte die Kapsel vorschriftsmäßig auf Jerianns Bein an. Gebannt starrten sie auf den Vorgang. Die Kapsel grub sich fest in das Fleisch ein und paßte sich so an, daß man sie schon nicht mehr deutlich erkennen konnte. Sie hatte sich verwandelt und war nun ein lebender Teil von Jerianns Körper.
Sie war gerettet!
*
Befriedigt sah Docchi sich im Zimmer um. Die Einordnung der Medikamente ging ganz gut voran. Eins nach dem anderen waren die Präparate identifiziert und der Bestand aufgenommen worden. Es war nicht ganz so schlimm, wie er zuerst geglaubt hatte; es war fast alles da, was sie brauchten.
Sorgfältig verschloß er die Tür und verließ die Klinik, um nach Jeriann zu schauen. Wie jeder auf Handikap-Hafen, bewohnte sie ihr eigenes kleines Häuschen, dessen Einrichtung ihren Zustand weitgehend berücksichtigte.
Das Mädchen hatte sich schon wieder
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